Richard Strauss, der Klangzauberer

Er liebte Mozart und die Sopranstimme als Instrument. Am Mittwoch würde der nicht unumstrittene Maestro 150 Jahre alt.

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Dresden/München. Die Musik von Richard Strauss entwickelt oft eine Sogwirkung. Wenn Königstochter Elektra am Ende der gleichnamigen Oper dem Abgrund entgegentaumelt, steigt beim Zuhörer unweigerlich der Puls. Es ist nicht nur die Wucht des Klanges, es ist auch seine Transparenz.

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Wie kein anderer hat Richard Strauss das Orchester als Instrument begriffen und meisterhaft zu instrumentieren vermocht. Wohl auch deshalb verursacht seine Musik Gänsehaut. Zu seinem 150. Geburtstag am 11. Juni wird der Jubilar als Wegbereiter der Moderne und wichtigster Opernkomponist des 20. Jahrhunderts gefeiert. Für Dirigent Christian Thielemann ist er „Richard, der Besondere“.

In Biografien wird der gebürtige Münchner Richard Strauss als musikalisches Wunderkind beschrieben. Als Dreijähriger begann er mit dem Klavierspiel, im zarten Alter von sechs komponierte er bereits. Die musikalische Ausbildung erhielt er in Privatunterricht. Zunächst schlug er eine Dirigentenlaufbahn ein.

Mit 21 Jahren trat er in Meiningen seine erste Stelle als Assistent des Dirigenten Hans von Bülow an, der später in Strauss einen legitimen Nachfolger von Richard Wagner sah. Kompositorisch widmete sich Strauss zunächst der Instrumentalmusik. Als erstes bedeutsames Werk wird heute seine 1886 vollendete „Burleske für Klavier und Orchester“ betrachtet.

Nach Meiningen folgten Kapellmeisterstellen in München, Weimar und nochmals München. Dort lernte er auch seine spätere Frau Pauline kennen. Die Beziehung zu ihr sollte den Zündstoff für eine neue Schaffensphase liefern.

Nach den ersten sinfonischen Dichtungen „Macbeth“ und „Aus Italien“ wurde sein „Don Juan“ rasch populär. Weitere Werke dieser Gattung wie „Till Eulenspiegel“ und „Also sprach Zarathustra“ sorgten endgültig für den Durchbruch. Nur die erste Strauss-Oper „Guntram“ (1893) floppte. „Er vergaß diesen Rückschlag nie, nicht einmal in den letzten Wochen seines Lebens“, schreibt Bryan Gilliam in seinem Buch „Richard Strauss — Magier der Töne“.

Dafür ging es nach der Jahrhundertwende Schlag auf Schlag aufwärts. Dresden wurde zur Wiege für seine Opern. Von 1901 bis 1911 ließ er hier vier davon uraufführen: „Feuersnot“, „Salome“, „Elektra“ und „Der Rosenkavalier“. Insgesamt brachte Strauss neun seiner 15 Opern in Dresden heraus — er nannte die Stadt ein „Dorado für Uraufführungen“.

Kapellmeister Ernst von Schuch förderte den Komponisten. Schuchs heutiger Nachfolger Christian Thielemann spürt noch immer ein Kribbeln, wenn er aus der Originalpartitur von „Elektra“ dirigiert. Auch den Geist des Meisters sieht er an der Semperoper noch umgehen: „Bei Strauss hat man immer das Gefühl, er kommt gleich um die Ecke.“

Dass Strauss ein hervorragender Dirigent war, steht bei seiner Werkfülle nicht eben im Vordergrund. Dabei machte er sich bei seinen festen Anstellungen — später auch in Berlin und Wien — immer wieder für das Werk anderer Kollegen stark. „Auf seiner ersten Südamerika-Reise mit den Wiener Philharmonikern 1924 hat er ungefähr 50 verschiedene Werke von europäischen Zeitgenossen auf dem Programm gehabt. Er hat dort sogar Pfitzner und Bruckner aufgeführt, die er eigentlich nicht leiden konnte“, erzählt der Münchner Strauss-Forscher Stephan Kohler. Strauss habe sich da zum „Anwalt der Partituren“ gemacht und persönliche Neigungen zurückgestellt.

In der NS-Zeit fällt ein Schatten auf Strauss. Bis 1935 war er als Präsident der Reichsmusikkammer ein Repräsentant des Systems, obwohl er weder als Sympathisant der Nazis galt, noch deren Antisemitismus teilte. Manchmal suchte er wohl den Kontakt zur Macht nur deshalb, um seine jüdische Schwiegertochter Alice zu schützen.

Autor Klaus Mann gibt im autobiografischen Roman „Der Wendepunkt“ ein hartes Urteil ab, als er nach Kriegsende als amerikanischer Reporter Strauss in München inkognito interviewte: „Ein Künstler von solcher Sensitivität — und dabei stumpf wie der Letzte, wenn es um Fragen der Gesinnung, des Gewissens geht! Ein großer Mann — so völlig ohne Größe!“

Strauss’ musikalische Größe ist jedoch unbestritten: „Ihr Werk ist ein Meteor, dessen Kraft und Glanz alle in seinen Bann zieht, selbst diejenigen, die es nicht lieben“, schrieb ihm Romain Rolland. Strauss knüpfte an die spätromantische Tradition an, ging dann aber eigene Wege. Der „Rosenkavalier“ markierte eine Art Rückbesinnung hin zu Mozart.

Am Ende seines Lebens komponierte er das, womit seine Karriere begann: Instrumentalmusik und Lieder. „Das ideale Abbild von Strauss wäre kein Gemälde, keine Zeichnung oder Skulptur. Es wäre viel eher ein Mosaik: von weitem kohärent, aber bei näherer Betrachtung aus kontrastierenden Fragmenten zusammengesetzt“, meint Bryan Gilliam.