Riesenapplaus zum Abschied von Thielemann

München (dpa) - „Verachtet mir die Meister nicht, und ehrt mir ihre Kunst“ heißt es in Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“. War es ein Wink mit dem Zaunpfahl respektive Taktstock, als Christian Thielemann sich bei der Zugabe für sein letztes Münchner Konzert als Chefdirigent der Philharmoniker für das Vorspiel zu dieser Oper entschied?

Hatte es doch 2009 Streit mit der Stadt über die Kompetenzen des Generalmusikdirektors (GMD) gegeben. Das Ende des monatelangen Zoffs war am Sonntagabend zu erleben: Weil Thielemann sich dem Diktat der Kulturbürokratie nicht beugte und keinen neuen Vertrag unterschrieb, stand er nun in der Philharmonie letztmals am Pult des städtischen Weltklasse-Orchesters und nahm Abschied vom wehmütig gestimmten Publikum. Insofern könnte der Appell des Dichters Hans Sachs in dem Singspiel durchaus als musikalische Mahnung Thielemanns an die Stadtväter verstanden werden, ihren Meister am Pult der Philharmoniker doch bitte etwas mehr zu achten.

Doch waren am lauen Frühsommerabend wieder alle auf Harmonie getrimmt - der Meister selbst, sein Orchester, die Zuhörer sowieso und Kulturreferent Hans-Georg Küppers nicht minder. Er würdigte zu Beginn des Konzerts die „hervorragende und wunderbare Arbeit“ Thielemanns in München und erinnerte an „meisterhafte Konzerte mit herausragendem Niveau“. Der Applaus donnerte, als Küppers dem gut gelaunten „General“ a.D. ein Münchner Kindl in Porzellan überreichte.

Der Zufall hatte es so gewollt, dass sich der Spezialist für das Klassische und Romantische mit einem für ihn eher untypischen Programm verabschiedete: Werke der französischen „Brückenbauer“ Claude Debussy und Maurice Ravel zur Musik des 20. Jahrhunderts standen im Mittelpunkt, eines der Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart war eher Beiwerk.

Es begann mit berückend schön gespielten Flötensoli in Debussys Vorspiel zu „Der Nachmittag eines Fauns“. Radu Lupu interpretierte danach in selten abgeklärter Manier Mozarts A-Dur-Klavierkonzert mit seinem melancholischen Mittelsatz. Da spielt einer ohne Pathos - zurückgelehnt wie auf dem Bürostuhl - mit der musikalischen Erfahrung eines langen Künstlerlebens Mozart vom Feinsten, freut sich sichtlich am fein begleitenden Orchester und lässt sich von Thielemann - ausnahmsweise ohne Taktstock - einfühlsam führen.

Nach der Pause dann wieder Debussy: In seinen dreisätzigen symphonischen Skizzen „La Mer“ ließ Thielemann die Wellen hörbar schlagen und den Wind mit dem Meer in einen packenden Dialog treten. Die fünfköpfige Schlagzeuggruppe der Philharmoniker trommelte auf Pauken und Becken, was das Zeug hielt. Des Maestros Abschiedsgeschenk ans treue Münchner Publikum war Ravels „La Valse“, den der künftige Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden hinreißend tänzelnd und am Schluss eruptiv darbot.

Das war's dann nach der mit Standing Ovations bedachten Wagner-Zugabe mit Thielemann und den Philharmonikern in München. Für das Orchester selbst ist indessen die Zusammenarbeit noch nicht ganz zu Ende. Ausgerechnet mit der 5. Symphonie von Anton Bruckner, die Thielemann am 29. Oktober 2004 bei seinem Antrittskonzert als GMD in der Philharmonie dirigierte, verabschiedet sich der künftige Wahl-Dresdner an diesem Dienstag im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins vom Orchester - der Kreis schließt sich.