Heather Nova: „Tu etwas, vor dem du dich fürchtest!“
Heather Nova spricht nicht gerne über ihre Musik. Sie lässt ihre Songs lieber für sich selbst sprechen.
Düsseldorf. Über ihr nunmehr achtes Studio-Album „300 Days At Sea“, das am 27. Mai erschienen ist, möchte die bermudische Singer/Songwriterin am liebsten gar nicht so viele Worte verlieren. Sie tut es aber trotzdem. Ein Interview über Vergebung, die Kommerzialisierung von Kunst und die heilende Kraft von Musik.
Stimmt es, dass Sie am Anfang Ihrer Karriere nur sehr ungern Interviews gegeben haben?
Ja, das stimmt — und ich bin auch heute noch kein riesiger Freund davon (lacht). Ich rede nicht gerne über mich selbst und mag es nicht, meine Musik erklären zu müssen. Zudem gibt es Journalisten, die einen in eine bestimmte Richtung drängen wollen — und das kann unangenehm sein. Aber Sie müssen keine Angst haben: Ich werde mir bei Ihnen trotzdem Mühe geben (lacht).
Dann werde ich Ihre Freundlichkeit direkt ausnutzen und Sie zu dem Stück „Beautiful Ride“ befragen, in dem es um Versöhnung geht. Haben Sie das Gefühl, dass das eigene Ego heutzutage häufig als wichtiger erachtet wird als das Streben nach Vergebung?
Ich möchte das nicht generalisieren, aber solche Tendenzen gibt es natürlich. Das Leben ist jedoch viel zu kurz und zu schön, um es mit blödsinnigen Streitereien zu vergeuden. Man sollte sich nicht mit irgendwelchen Unsinnigkeiten aufhalten und wertvolle Lebenszeit damit verschwenden, zu klären, wer in einem Streit nun recht hat und wer nicht. Vergeben zu können ist im Zweifelsfall immer die richtige Entscheidung.
Haben Sie das Gefühl, dass sich viele Menschen häufig selbst im Wege stehen?
Ja, das ist so. Wir haben schließlich alle unsere Egos und tun uns schwer, über unseren Schatten zu springen. Das schließt mich selbstverständlich mit ein. Bloß weil ich einen Song über so ein Thema mache, denken manche Leute, dass ich sämtliche Antworten auf die damit einhergehenden Fragen hätte. Das ist natürlich Quatsch. Aber wir Songwriter suchen zumindest danach.
Auf Ihrem neuen Album befindet sich das Stück „Stop The Fire“, in dem es um die wachsende Kluft zwischen arm und reich geht. Was meinen Sie, kann ein solcher Song wirklich bewirken?
Ich bin leider nicht arrogant genug, um zu behaupten, damit die Welt verändern zu können. Ich singe lediglich über Dinge, die mich beschäftigen. Mir geht es um Empathie. Wenn man kriminelles Verhalten verurteilt, darf man dabei nicht außer Acht lassen, dass es dafür eine Ursache gibt. Und diese Ursache liegt meistens im Schmerz begründet. Den gilt es zu heilen.
Was für ein Feedback bekommen Sie in dieser Hinsicht denn von Ihren Fans?
Meine Fans erreiche ich vor allem auf einer persönlichen Ebene, nicht so sehr auf einer gesellschaftlichen. Ich bekomme oft Post von Leuten, die sich bei mir bedanken, weil ihnen meine Musik über eine schwere Zeit hinweggeholfen hat. Und das ist natürlich wunderbar und mir viel wichtiger, als meine Songs im Radio zu hören.
Sie haben immer betont, dass Musik eine Möglichkeit sei, miteinander zu kommunizieren und Menschen zusammenzubringen. Auf der anderen Seite kritisieren Sie aber die Kommerzialisierung von Musik. Ist eine solche Kommerzialisierung von Musik nicht nötig, damit sie von möglichst vielen Menschen gehört wird?
Es kommt vor allem darauf an, wann der Kommerzialisierungsprozess einsetzt. Wenn zuerst die Musik da ist und diese dann kommerziell verwertet wird, ist das vollkommen ok. Fragwürdig wird es immer dann, wenn die Musik selbst bloß aus kommerziellen Beweggründen entsteht — gegen diese Form der Kommerzialisierung richtet sich meine Kritik. Denn Musik sollte immer aus einem selbst heraus entstehen und nicht, weil eine Plattenfirma einen Hit braucht.
Ein Stück auf Ihrer neuen Platte heißt „Do Something That Scares You“. Wovor haben Sie sich zuletzt gefürchtet?
Vor diesem Interview natürlich (lacht). Ich finde es für die persönliche Entwicklung wichtig, ab und an Dinge zu tun, die einen aus der eigenen Komfortzone herausführen. Natürlich ist es wahnsinnig bequem, sich permanent bloß in seiner gewohnten Umgebung aufzuhalten, aber das bringt einen nicht weiter. Man wächst nicht, man ändert sich nicht, man entwickelt sich nicht — das bedeutet Stillstand. Deswegen bin ich der Meinung, dass man manchmal auch Dinge tun sollte, vor denen man sich im ersten Moment fürchtet.
Im Stück „Save A Little Piece Of Tomorrow“ geht es um die globale Erderwärmung und das Versprechen an Ihren Sohn, ihm ein kleines Stück der Zukunft zu erhalten. Was tun Sie konkret, um dieses Versprechen einzulösen?
Mein komplettes Haus läuft mit Solarenergie und ich achte sehr darauf, was ich kaufe, wo ich es kaufe und wie es verpackt ist. Es geht vor allem darum, ein Bewusstsein zu entwickeln. Letztlich können wir alle nur Kleinigkeiten tun. Aber wenn wir dabei konsequent sind, kann das viel bewegen.
Letztes Jahr sind Sie nicht nur in großen Konzerthallen aufgetreten, sondern haben auch einige intime Auftritte in deutschen Krankenhäusern absolviert. Wie kam es dazu?
Bei einem Auftritt in Holland stand jemand in der ersten Reihe und hat permanent sein Handy Richtung Lautsprecherbox gehalten. Als er mich nach dem Gig um ein Autogramm gebeten hat, habe ich ihn nach dem Grund dafür gefragt. Er hat mir dann von seiner Freundin erzählt, die ein großer Fan von mir ist. Krankheitsbedingt konnte sie jedoch nicht zu meinem Konzert kommen, sodass er ihr meinen Auftritt durch das Handy ans Krankenbett gebracht hat. So ist die Idee entstanden, Musik zu den Menschen zu bringen, die gerade nicht zur Musik können.
Eine tolle Idee.
Ja, das fand ich auch. Zumal Musik so eine wundervoll heilende Wirkung hat. Zwar wird durch Musik die Seele angesprochen, aber das wirkt sich auch positive auf den Körper aus. Also habe ich beschlossen, ein paar Krankenhäuser aufzusuchen und dort Musik zu machen. Das hat mir übrigens ebenfalls Angst gemacht (lacht).
Wovor haben Sie sich denn gefürchtet?
Bei einem normalen Konzert weißt du, dass die Leute wegen dir da sind. Du hast eine große Bühne und Leute um dich herum, die dir Sicherheit geben. In den Krankenhäusern wusste ich nicht, ob die Leute meine Musik überhaupt hören wollen und bin bloß allein mit meiner Gitarre aufgetreten.
Können Sie sich noch an das erste Krankenhaus-Konzert erinnern?
Ja, das war in einer Kinderkrebsklinik. Es waren etwa 50 Leute da, die Kinder und ihre Eltern. Und ganz ehrlich: Ich habe noch nie so viel Schmerz in den Gesichtern von Menschen gesehen wie dort. Als ich anfing zu spielen, begannen einige Leute zu weinen, sodass ich dachte, dass mein Konzert wohl doch keine so gute Idee gewesen sei. Dennoch habe ich weitergemacht. Als ich fertig war, kam eine Psychologin des Krankenhauses zu mir und bedankte sich überschwänglich. Sie meinte, dass einige Leute durch meine Musik zum ersten Mal in der Lage gewesen wären zu weinen und ihre Gefühle herauszulassen. Das war ein sehr bewegender Moment für mich.
Wird es solche Konzerte in Zukunft noch mal geben?
Das würde ich sehr gerne machen. Musik ist eben in der Lage, etwas zu verändern. Gerade deshalb sollte man als Künstler nicht bloß auf der Bühne stehen und sich von seinem Publikum abgrenzen, sondern Nähe zu den Leuten aufbauen und ihnen durch die Musik etwas mitgeben. Das ist das Tollste, was man mit seiner Musik erreichen kann.