Robbie Williams will es noch mal wissen
Großspurig wie lange nicht beansprucht Robbie Williams mit „Take The Crown“ den Superstar-Thron. Doch so einfach ist das nicht mehr.
Düsseldorf. An Selbstbewusstsein hat es Robbie Williams noch nie gemangelt. Zumindest schien das immer so. Ausverkaufte Stadien, Konzerte teilweise vor 100 000 entfesselten Fans, rotzige Fernsehauftritte vor Millionenpublikum und unzählige Interviews, bei denen der Star innerhalb kürzester Zeit charmant die Gesprächsführung übernahm.
Alles Fassade: „Diese ganzen Entertainer-Tricks sind nur Kompensation“, wird er in einem Gespräch zitiert, das Pet Shop Boy Neil Tennant mit ihm für das Magazin „Interview“ führte. Er halte sich weder für einen guten Sänger noch sei er von der Qualität seiner Songs überzeugt. „Dumme massive Unsicherheiten“, fasst Williams sein unstetes Gefühlsleben zusammen.
Lange Zeit spielten diese subjektiven Unzulänglichkeiten keine Rolle. Doch als der erste kommerzielle Einbruch kam — 2006 mit dem überambitionierten Elektronik-Popanz „Rudebox“ — war auch der Nimbus des unkaputtbaren Pop-Regenten dahin. Seine Drogenexzesse, die er bis dahin sogar selbstreferenziell in seinen Songs verarbeitet hatte, waren nicht mehr die schillernden Accessoires eines exzentrischen Superstars, sondern nur noch peinliche Exzentrik für die Klatschspalten.
Hatte er zwischen 1997 und 2006 jedes Jahr mindestens einen Tonträger veröffentlicht, herrschte plötzlich drei Jahre Funkstille, unterbrochen nur von Meldungen über Ufo-Erfahrungen und Entzugsmaßnahmen. Und auch als er 2009 mit „Reality Kills The Video Star“ ein Comeback feierte — gemessen an seinen einstigen Erfolgen verhalten, verglichen mit der Konkurrenz solide — wirkte Williams wie ein blasser Schatten seiner früheren Rampensau-Tage. Dass er darauf verzichtete, auf Tour zu gehen, verstärkte diesen Eindruck nur.
Nun soll damit Schluss sein. Der erfolgreichste britische Solo-Künstler aller Zeiten will es nochmal wissen. Als goldene Büste prangt er auf dem Cover seines neuen Albums. Der Titel: „Take The Crown“ (Nimm Dir die Krone) steht sinnbildlich für seinen Anspruch, nach wie vor in der ersten Liga mitzuspielen. Unsicherheiten werden einfach durch große Showgesten verdrängt. Hat doch früher auch geklappt.
Ja, hat es. Aber so einfach ist das nicht. Vor allem, weil Williams nicht mehr Mitte 20 ist und man ihm das auch ansieht. Im Video zu „Candy“, dem clever arrangierten Ohrwurm, der vorab veröffentlicht wurde, rennt er von einem schmerzhaften Alltagsunfall in den nächsten, ohne sich dabei auch nur ein Haar zu krümmen. Botschaft: Ich bin ein Stehaufmännchen, zäher als der Kojote bei „Bugs Bunny“. Betrachtet man allerdings seine aus der Form geratene Figur, fällt einem unter den vielen Comic-Helden, die er für ebenbürtig halten würde, nur das Michelin-Männchen ein. Sexy ist anders.
Bleibt die Musik. Und die ist auf „Take The Crown“ zum ersten Mal seit „Escapology“ (2002) nicht mehr so verdruckst wie die bemühten Nachfolgealben, mit denen Williams künstlerisch Akzente setzen wollte, tatsächlich in weiten Teilen aber nur noch seinen selbst gesetzten Standards hinterherhechelte.
Das neue Album ist eine Liebeserklärung an den Pop, genauer: an den knalligen Gassenhauer. Fast jeder Song taugt zum Radioeinsatz. Doch diese Hitdichte birgt eine Gefahr: Sie ist so hoch, dass beim Durchhören des Albums am Ende so etwas wie ein weißes Rauschen aus Wohlklang übrigbleibt. Gekonnte Extravaganzen wie das dramatische „Phoenix From The Flames“ (auf „I’ve Been Expecting You“, 1998) oder das wuchtige Duett „Kids“ (auf „Sing When You’re Winning“, 2000) leistet sich Williams diesmal keine.
Er will ohne Umwege zurück an die Spitze. „Ich will die Welt im Sturm nehmen, wieder ein Top-Pop-Star sein“, sagte der 38-Jährige der BBC Anfang September. Klingt vertraut, eben nach jenem Robbie, der Fans und Medien lange Zeit im Griff hatte. Dazu muss er vor allem zeigen, was er live noch drauf hat. Bislang sind allerdings keine Tourtermine veröffentlicht.
Termin: Am Samstagabend ist Robbie Williams mit „Candy“ bei „Wetten, dass ..?“ zu Gast; 20.15 Uhr, ZDF. Zum Vergleich: Bei YouTube gibt es seinen Auftritt in der britischen Version von „X Factor“ vom vergangenen Sonntag.