Sex-Pistols-Andenken auf den Scheiterhaufen?

London (dpa) - Mit der Sammlung könnte man ein komplettes Museum über die Sex Pistols bestücken: Latexkleider, ein Türgriff mit pinkem Logo „Sex 430“, Test-Schallplatten der ehemaligen Punkband und noch viel mehr.

Foto: dpa

„Ich habe alles behalten“, sagt Joe Corré, Sohn des Sex-Pistols-Managers Malcolm McLaren (1946-2010) und der Modedesignerin Vivienne Westwood (74). „Aber ich werde alles verbrennen.“

Bitte was, fragt sich nicht nur die Musikwelt. Aber der 48-Jährige meint es offenbar ernst. Er wolle die Erinnerungsstücke im Wert von fünf Millionen Pfund (6,3 Millionen Euro) Ende November öffentlich vernichten, teilt er mit. Als Protest gegen ein Punk-Gedenken zum 40. Geburtstag der einstigen Jugendbewegung in London, das seinen Angaben zufolge von ausgerechnet von Queen Elizabeth II. unterstützt wird. Für Corré ist das pure Verhöhnung der Punk-Kultur.

„Anstatt eine Bewegung für Veränderung ist Punk zu einem verdammten Museums-Ausstellungsstück verkommen“, klagt er. Der „Segen“ der Queen für die Konzerte, Ausstellungen, Filme und Diskussionen sei das „Furchterregendste“, was er je gehört habe.

Offiziell hat sich das britische Königshaus bisher allerdings nicht geäußert - auf Nachfrage lässt die Pressestelle des Palasts erst mal erklären, was Punk in London ist. Im Musikmagazin „NME“ schränkt Corré ein: „Ich sage nicht, dass die Queen persönlich was damit zu tun hat, das weiß ich nicht. Wenn ich von der Queen spreche, dann meine ich das Establishment.“

Sollte die Queen das Spektakel für die Punk-Bewegung tatsächlich unterstützen, hätte das eine gewisse Ironie, da die Sex Pistols vor allem mit Provokationen gegenüber dem britischen Königshaus Furore machten. In ihrem 1977 veröffentlichten Song „God Save the Queen“ unterstellten sie der Queen, sie führe ein „faschistisches Regime“ und hinterfragen, ob sie überhaupt menschlich sei.

Hat die Monarchin ihnen vergeben? Gesponsert werden die Events jedenfalls mit 99 000 Pfund (126 000 Euro) aus Einnahmen von Lotterielos-Verkäufen, dem Heritage Lottery Fund, der vor allem Projekte zur Förderung des Kulturerbes unterstützt. Auch Londons Bürgermeister Boris Johnson ist an Bord.

Corré findet das scheinheilig, wie er „NME“ sagt: „Es wird vergessen, dass die Leute in den 1970ern Punkrocker gehasst haben - sie waren der Staatsfeind Nummer eins. Als ich ein kleines Kind war, haben mir erwachsene Männer ins Gesicht gespuckt, weil ich mich wie ein Punkrocker angezogen habe.“

Corrés Erinnerungsstücke stammen vorwiegen aus dem Modegeschäft Seditionaries, das seine berühmten Eltern einst zusammen betrieben haben. Den Sex Pistols wurde dort ihr - für die damaligen Zeit - rebellischer Look verpasst. Corré arbeitet selbst in der Modebranche, er hat die Dessous-Marke Agent Provocateur mitgegründet.

Manche Menschen rieten ihm, die Erinnerungsstücke zu versteigern, anstatt zu verbrennen, sagte er dem „Guardian“. Und urteilte die Ratgeber ab: „Diese Menschen denken nur an Geld.“ Die Ideen des Punk sollten im Mittelpunkt stehen, nicht die Erinnerungsstücke. Was seine Mutter Vivienne Westwood von all dem hält, wurde bislang nicht bekannt.

Corré aber hat ein symbolträchtiges Datum für sein Feuer vorgesehen: Den 26. November, genau 40 Jahre, nachdem die Sex Pistols die Punk-Hymne „Anarchy in the UK“ veröffentlicht hatten. Er müsse einfach gegen die Jubiläumsfeier protestieren, sagte er dem „Guardian“, sonst hätten alle nur erzählt, wie „cool“ alles damals gewesen sei und Menschen, denen die Punk-Ideen weiterhin wichtig seien, hätten sich verraten gefühlt. „Wir leben in einem Zeitalter der Konformität. Diese Klamotten zu verbrennen zeigt, dass wir uns dagegen stellen.“