„Siggi Pop“ und die wilden Rocker

Berlin (dpa) - Ohne Theater geht es in der Politik wohl nicht. Wer gut schauspielert, kommt mitunter besser bei den Wählern an. Weniger bekannt ist, dass der Bundestag auch ein Haus voller Musikfans ist.

Deutschlands Volksvertreter zeigen hier erstaunliche Geschmacksvielfalt. Sie reicht von Udo Jürgens über die Beatles bis hin zu AC/DC. Manches Faible wirkt allerdings gekünstelt. Und es sagt manches über den Menschen aus, der hinter diesen angeblichen Vorlieben steht.

„Lieblingsmusiker sagen natürlich etwas darüber aus, wie ein Politiker sich selbst sieht“, erklärt Politikberater Michael Spreng. Ausgesucht würden meist Bands, die das eigene Image verstärken - oder auch mal bewusst brechen.

Besonders musikalisch zeigte sich neulich die SPD. Auf ihrem „Deutschlandfest“ feierte die Partei in Berlin das 150-jährige Bestehen der Sozialdemokratie. Das Programm glich eher dem eines Festivals: Die Prinzen, Hip Hop Academy, Babelsberger Filmorchester, Konstantin Wecker, Roland Kaiser und allerlei Künstler mehr - was da auf der Bühne ablief, war ein popkultureller Parforceritt. Zwischendurch gab es eine Rede von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Aber bloß nicht die Leute langweilen, schien das Motto zu sein.

Auch Regierungspolitiker haben ein Faible für Musik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schätzt - neben den Beatles und der Ostrockband Karat - die Oper. Stets besucht die Kanzlerin die Bayreuther Festspiele, jüngst lauschte sie mit Bundespräsident Joachim Gauck der Wagner-Oper „Der fliegende Holländer“. „Es hat mir gut gefallen, es war ein schöner Abend“, sagte Merkel danach. Große Emotionen klingen anders.

„Was ist Deine Lieblingsmusik?“ - mancher Politiker gibt die Antwort auf Facebook preis. Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) etwa steht auf U2, Coldplay und Udo Jürgens. Oder Guido Westerwelle (FDP): Die Lieblingsmusik des Außenministers ist „Charts und Klassik, Oper und Pop“. Da hätte Westerwelle auch „alles“ oder „Radio“ schreiben können.

Es gibt auch Kenner. Linke-Spitzenkandidat Gregor Gysi hört privat gerne Rio Reiser, wie er dem Musikmagazin „Rolling Stone“ verriet. Rio Reiser? Da wird Claudia Roth aufhorchen. Die Grünen-Chefin war in jungen Jahren Managerin der Band Ton Steine Scherben, deren Mitbegründer Reiser („König von Deutschland“) war.

Parteifreund Jürgen Trittin steht gerne an den Plattentellern, er trat schon öfters als DJ Dosenpfand auf. Trittins Lieblingsbands (laut Facebook): Depeche Mode, Franz Ferdinand, Johnny Cash, Duffy, Talking Heads, Trio, Patti Smith, Fehlfarben, Foyer des Arts und Brian Ferry. Da kennt sich wohl einer richtig gut aus. Blöd nur, dass der Künstler Bryan Ferry heißt und nicht Brian.

Nichts vorzumachen braucht man SPD-Chef Sigmar Gabriel. Wie fast jeder Politiker in Niedersachsen ist er mit Scorpions-Sänger Klaus Meine befreundet. Zudem war Gabriel früher der Pop-Beauftragte der SPD, was ihm den Kosenamen „Siggi Pop“ einbrachte. Als die Band Modern Talking sich 2003 auflöste, erklärte Pop-Beauftragter Gabriel zur Scheidung von Dieter Bohlen und Thomas Anders: „Das war seit langem überfällig.“

Meister der Performance ist und bleibt aber Karl-Theodor zu Guttenberg. Der einstige CSU-Shootingstar inszenierte sich gerne als Fan von AC/DC. „Ein Politiker, der sich mit AC/DC schmückt, will sagen: In mir schlummert auch ein wilder Rocker“, sagt Politikberater Spreng. Guttenberg mag aber auch Techno: Seine Frau Stephanie lernte er auf der Loveparade kennen. Zum Abgang von der politischen Bühne überraschte Guttenberg dann wieder mit Musik. Beim Zapfenstreich ließ er „Smoke on the Water“ erschallen, den Luftgitarren-Hit von Deep Purple. Ganz großes Theater.