Smashing Pumpkins: Klagelieder in einem frischen Mausgrau
2015 sollten zwei Alben der Smashing Pumpkins erscheinen. Nun hat Sänger Billy Corgan schon eine der Platten herausgebracht. Sie ist erstaunlich poppig.
Düsseldorf. Es ist nicht leicht, Billy Corgan zu sein. Der Kopf der Smashing Pumpkins gilt als aufmüpfig, depressiv, exzentrisch, verträumt und zutiefst melancholisch. Vor 14 Jahren gab er das „emotionale und musikalische“ Ende seiner Band bekannt und kommentierte fortan Basketballspiele seiner Heimmannschaft, den Chicago Bulls, oder schrieb Gedichte.
2001 gründete er mit Kumpel und Ur-Kürbis Jimmy Chamberlin eine neue Band: Zwan. Doch das Album floppte. Auch Corgans Soloplatte war zum Scheitern verdammt.
Fünf Jahre vergingen, dann schaltete er in der Chicago Tribune eine Anzeige: „Ich will meine Band zurück und meinen Traum.“ Es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, die Smashing Pumpkins aufzulösen. Wenn andere Männer in die Midlife-Crises kommen, suchen sie sich eine jüngere Geliebte oder kaufen sich einen teuren Sportwagen. Billy Corgan gründete die Indie-Wrestling Liga „Resistance Pro Wrestling“ und eröffnete einen Teeladen. Wie gesagt, es ist nicht leicht, Billy Corgan zu sein.
Nun erscheint das achte Album seiner Band, und es ist hervorragend. Eigentlich war es erst für nächstes Jahr angekündigt. Von einem Doppelalbum wurde gemunkelt. Jetzt sind eben zwei Alben daraus geworden. Das erste ist „Monuments to an Elegy“, das zweite soll „Day for Night“ heißen und im Herbst 2015 erscheinen. „Monuments to an Elegy“ ist der Mittelteil eines 44 Songs umfassenden Songzyklus, der 2009 mit „Teargarden By Kaleidyscope“ begann und mit „Day for Night“ enden soll.
„Es werden Gitarren, Gitarren und noch mehr Gitarren zu hören sein — das wird episch“, ließ Corgan verlauten. Episch? Oha. Schlimmes stand zu erwarten: Billy Corgan in einem Vampir-Musical, so was. Bono von U2 hat es auch gemacht. Und haben nicht beide einen Song für einen Batman-Film geschrieben? Eben.
Dazu passt die Ankündigung, nächstes Jahr auch noch ein Experimental-Werk namens „AEGEA“ aufnehmen zu wollen. Zuletzt erschien eine achtstündige Musik-Performance des Hermann-Hesse-Werks „Siddhartha“ - Corgan goes Buddha. Dabei galten die Pumpkins einst als „Retter des Rock“. Und Billy Corgan war ihr König.
Bis heute hat die Band mehr als 30 Millionen Platten verkauft. Ihr Sound war ein Spiel aus laut und leise, wild und ungestüm, schwelgerisch und versöhnlich. 1995 legten sie ihr Meisterwerk vor: „Mellon Collie and the Infinite Sadness“. Darauf waren Hits wie „1979“, „Tonight, Tonight“ und „Bullet with Butterfly Wings“. Seitdem muss sich jedes neue Werk daran messen lassen.
Entwarnung: Das neue Album ist nicht episch. Die neun Songs dauern keine 33 Minuten. Corgan unternimmt gar nicht erst den Versuch, die Smashing Pumpkins neu zu erfinden. „Monuments to an Elegy“ ist vielmehr eine Hommage an die unterschiedlichen Bandphasen, die guten wohlgemerkt. Ein bisschen Elektronik hier, ein paar Gitarrenwände dort. Markenzeichen ist und bleibt die Stimme.
Auch nach 23 Jahren klingt sie nach chronischer Nasennebenhöhlenentzündung. Musikalisch macht „Monuments to an Elegy“ weiter, wo der Vorgänger „Oceania“ aufgehört hat, beim poppigen Way of Life. Die versprochenen Gitarren sind vorhanden, aber sie machen nichts kaputt, sind nicht wütend oder brachial. Das ganze Album wirkt wie eine Abkehr von der dunklen Seite der Macht, wie sie unter anderem auf den beiden Machina-Alben zu hören war.
Corgan hat den Kajal gegen ein frisches Mausgrau eingetauscht. „Being Beige“ heißt einer der Songs. „Monuments for an Elegy“ sei eines der einfachsten und vergnüglichsten Alben, das er je aufgenommen habe. Hin und wieder irrlichtern Killerseske Synthesizer und Drumbeats aus der Mottenkiste durch die neuen Songs, so zum Beispiel auf „Run2me“ oder „Dorian“.
Auf „Drum + Fife“ ertönt sogar eine Flöte. Eine Flöte! Corgan ist bekennender Scorpions-Fan. In der Arte-Sendung „Durch die Nacht mit...“ war er an der Seite von Ulrich Roth alias Uli Jon Roth zu sehen, von 1973 bis 1978 Gitarrist und Songschreiber der Hard-Rocker. 2007 sprang Corgan als Gastsänger auf dem Album „Humanity — Hour I“ ein.
Nach dem Abgang von Mike Byrne sitzt erstmals Tommy Lee am Schlagzeug. Genau, der Ex von Pamelea Anderson und Drummer der Metalband Mötley Crüe. Er macht seine Sache ordentlich. Trotzdem vermisst man Jimmy Chamberlin. Er und Corgan waren das Herzstück der Pumpkins.
Die beiden umkreisten sich und manchmal kollidierten sie auch. Oder einer galoppierte davon und der andere musste ihn wieder einfangen. Zusammen ergab das den typischen Pumpkins-Sound. Ach ja, Gitarrist Jeff Schroeder ist auch wieder mit dabei. Er gehört seit 2007 zu der Band, was bei den Pumpkins eine halbe Ewigkeit ist.
Kürzlich hatte Corgan erklärt, dass die Geschichte, die er seit 1991 mit seiner Band erzählen wollte, mit dem nächsten Album vielleicht auserzählt sei. Soll heißen: Vielleicht war es das. Corgan ist 47. In dem Alter sind andere Rockstars in Rente. Andererseits klangen die Pumpkins selten so unbeschwert: „I feel alright, I feel alright tonight and everywhere I go is shining bright“ heißt es in „Monuments“. Man möchte ihm glauben. Hoffen, dass es so bleibt.