Sportfreunde Stiller: Einfach nie das Bauchgefühl verlieren
Sechs Jahre lang haben die Sportfreunde Stiller mit neuem Material auf sich warten lassen. Ein Gespräch mit Schlagzeuger Flo Weber.
Düsseldorf. Herr Weber, Sie sind Fan von 1860 München, Ihre beiden Bandkollegen glühende Bayern-Fans. Wird man da momentan nicht arg neidisch?
Flo Weber: Klar, gerade jetzt wird man immer wieder damit konfrontiert, dass man selbst überhaupt nichts zu feiern hat. Aber ich bin altersmilde und kann im internationalen Geschäft zu den Bayern halten. Aber schreiben Sie das bloß nicht! (lacht)
Nach sechs Jahren Studiopause: Kommt jetzt die zweite Halbzeit oder schon die Verlängerung?
Weber: Ich wähne mich eigentlich noch immer in der ersten Hälfte. Wobei diese Zäsur schon als Halbzeit gewertet werden kann. Mit dem neuen Album fühlt sich alles toll an, so wie früher. Wir haben sehr viel Spaß gehabt bei den Aufnahmen und starten jetzt — wenn man so will — die zweite Halbzeit. Sind allerdings schon 5:0 vorne. (lacht)
Dann kann ja nichts schief gehen. Was haben Sie denn in der Zwischenzeit gemacht?
Weber: In der Pause hat Rüdiger ein Hip-Hop-Album produziert. Fiva & Das Phantom Orchester heißt die Band. Ich habe ein Buch geschrieben, „Grimms Erben“, und Peter hat sich sehr lang gemacht, dann wieder angefangen Lieder zu schreiben, und vor Kurzem einen Club aufgemacht. Also, uns wurde nicht langweilig. Wenngleich es unterschiedliche Auffassungen gab, wie lange die Pause dauern sollte.
Eher länger oder kürzer?
Weber: Es gibt Teile, die haben behauptet, es sollte augenblicklich weitergehen. Da waren wir noch weit entfernt vom Wiedereinstieg ins Musizieren. Diese Teile der Band habe auch ich verkörpert.
Hatten Sie sich nach der Pause musikalisch voneinander entfernt?
Weber: Das war überhaupt kein Problem. Es stand die Devise: Alles muss möglich sein, sofern es Funken auslöst. Das haben wir geschafft. Da sind jetzt so Lieder wie „Let’s did it“, das schon fast Elektropunk-Charakter hat, aber auch „Es muss was Wunderbares sein“, das stark ausarrangiert und harmonisiert wurde. Wir haben die Grenzen ausgelotet.
Und trotzdem ist es ein klassisches Sportfreunde-Album geworden . . .
Weber: Das war uns wichtig, dass wir unseren Charme nicht verlieren, dass wir den Sportfreunde-Drang und -Sturm weiter verkörpern. Dass wir das Rad in unserem Metier nicht neu erfinden können, war uns klar.
Zuletzt haben Sie 2009 ein Unplugged-Album aufgenommen, das eher retrospektiven Charakter hatte. „New York, Rio, Rosenheim“ hört sich nun wie eine Befreiung an. Ist es das für Sie auch?
Weber: Ja, natürlich. Wir waren froh, das Spektrum wieder zu erweitern. Nicht umsonst geht das Album in „Hymne auf dich“ mit einem flirrenden Synthesizer los. Es war toll, sich da wieder zu suhlen. Wir mussten uns dann tatsächlich bremsen und abspecken, haben beim Unplugged-Album aber auch gelernt, wie stark ein Geigersatz oder wie wichtig Bläser sein können. Das ist eine Erweiterung, die uns gutgetan hat.
In „Wenn Pferde schlafen“ heißt es „Immer, wenn ich denke, ich denke an nichts, denk’ ich immer nur an dich“. Klingt stark nach Element of Crime: „Ganz egal, woran ich gerade denke, am Ende denk’ ich immer nur an dich“.
Weber: Den Vergleich höre ich gerade zum ersten Mal. Jetzt, wo Sie es sagen, kenne ich das Lied und finde die Parallele tatsächlich ganz schön. Den Text hat Peter geschrieben, da weiß ich nicht, ob er es als Inspiration hatte. Aber ich finde unser Lied super, es hat ganz tolle Bilder und erinnert musikalisch ein bisschen an Bloc Party, sowas Zackiges, Freakiges.
Werden Sie mit einem Lied wie „Festungen und Burgen“ jetzt erwachsen? Bisher wirkte bei Ihnen vieles gewollt unernst.
Weber: Das stimmt. Wir haben noch nie so detailgenau und lange an den Texten gefeilt. Ein Lied wie „Festungen und Burgen“ zeugt davon, dass wir auch ernste Menschen sind. Wir haben diese Seite intensiviert. Ich bin ein fröhlicher Mensch, wir sind privilegiert, aber auch mit traurigen Dingen konfrontiert, wurden verletzt und hatten bittere Momente zu überstehen. Dem steht ein Lied wie „Unter unten“ entgegen. Diese Mischung ist genau das, was wir so toll finden.
Juckt es Sie manchmal in den Fingern, musikalisch noch mehr auszuprobieren? Beispielsweise sind Sie alle große Fans von The Notwist, die eher alternative Elektro-Musik machen.
Weber: Wir haben uns jetzt schon ziemlich viel zugetraut. Das war das richtige Maß nach der Pause. Ich will nie das Bauchgefühl verlieren. Es muss alles seine Sportfreunde-Richtigkeit haben. Und so gern ich The Notwist mag, ich könnte nie so arbeiten wie die Jungs. Ein ganzer Tag Arbeit, an dem im Endeffekt nur ein bestimmtes Piepsen für den Hintergrund entsteht, das würde ich nicht aushalten, da würde ich vor Ungeduld umkommen.
Es macht den Eindruck, dass Sie bewusst unpolitische Lieder schreiben.
Weber: Ich finde, dass wir sehr wohl Stellung beziehen mit unseren sozialkritischen Liedern wie „International“ oder „Sodom“. Aber das sind positive Auseinandersetzungen mit den Problemen. Es bringt doch nichts zu sagen „Der ist Mist, das ist Mist“, aber nichts anzubieten, wie man es besser machen könnte. Ich finde, dass wir schon eine politische Haltung haben. Auch durch die Zusammenarbeit mit „Laut gegen Nazis“ oder „Viva con Agua“. Ich weigere mich, uns unpolitisch zu nennen.
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