Thees Uhlmann: Der Kumpel, der Geschichtenerzähler

Er schaut sich um, registriert, vergleicht. Und dann ist er plötzlich da, der Moment, in dem Thees Uhlmann weiß: Das wird ein Song. Zu hören auf seinem zweiten Solo-Album.

Düsseldorf. Kürzlich machte ein Musikmagazin aus Thees Uhlmann eine Art Bruce Springsteen. Die Autoren setzten ihn ins Auto, fuhren mit ihm durch heruntergekommene Teile des Ruhrgebiets und ließen ihn über sein neues, schlicht „#2“ betiteltes Soloalbum erzählen, das am 30. August erscheint. Stilecht in des Boss’ ewigen Klamotten: Bluejeans, weißes T-Shirt.

Manch einer mag fragen: Was, bitteschön, hat das personifizierte gute Gewissen Amerikas mit dem Thees aus der niedersächsischen Provinz zu tun? Doch sobald Uhlmann in Hemmoor den Telefonhörer abhebt, wird klar: mehr als manch einer denkt.

Da ist erstens dieses Kumpelhafte, das der Mann vermittelt, der als Musiker in Hamburg bekannt wurde, mittlerweile in Berlin lebt und gerade auf Besuch bei seiner Mutter weilt. Er vermittelt es bei Konzerten. Und er vermittelt es bei Gesprächen wie diesem, wenn er erst einmal über Vinyl-Schallplatten und Heavy Metal fachsimpelt, ehe es ans Eingemachte geht. So ist Bruce Springsteen auch, ein Künstler, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht.

Und da ist zweitens und vor allem Thees Uhlmanns Musik. „Ich orientiere mich da schon an Geschichtenerzählern wie Springsteen“, gibt er zu. Oder an einem wie Elliott Smith, der bis zum Selbstmord 2003 in seinen traurigen Liedern so begnadet das Leben zu beschreiben vermochte und dafür bis heute verehrt wird.

„Für das neue Album waren wir ein paar Tage in genau dem Studio in Los Angeles, in dem Smith damals auch gestanden hat“, erzählt Thees Uhlmann. „Das war ein irres Gefühl. Denn so funktioniert für mich Rock: Man erinnert sich an die alten Helden. Und indem man sich erinnert, hält man ihre Geschichte und die des Rock am Leben.“

In Thees Uhlmanns Song-Geschichten dreht sich ebenfalls alles ums Leben — und darum, wie es sich verändert. Häufig geschieht das ein wenig metaphorisch, wie schon die Erfolgssingle „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ auf seinem ersten, selbstbetitelten Solo-Album (2011) beweist.

„Aber das bin trotzdem immer 1:1 ich“, betont er und führt den neuen Song „Weiße Knöchel“ an. In dem blickt er mit den Augen eines auf Werbetour befindlichen Wahlhelfers aus dem Ruhrgebiet auf die Dinge — und sieht triste Fußgängerzonen und verlassene Wohnungen. „Es gibt zwar nichts Unglamouröseres, als durch diese Innenstädte zu ziehen und Werbung für eine Partei zu machen. Aber das ist der Klebstoff, der die Demokratie zusammenhält und die Menschen einander näher bringt.“

Die Idee zu diesem Song sei ihm während einer Zugfahrt gekommen. So, wie ihm Ideen immer kommen. Sich umschauen, registrieren, vergleichen. „Und dann entsteht das, was ich eine Killer-Situation nenne.“ Der Moment, in dem er wisse: „Das wird ein Song!“ Auch bei der neuen Single „Der Fluss und das Meer“ lief das so. Da beschreibt Thees Uhlmann ein ehemaliges Touristenörtchen, in dem schon lange keiner mehr Minigolf spielt und Kurtaxe bezahlt. Dafür steht an eine Wand gesprüht: „The end is near“. Das mag sich alles reichlich melancholisch anhören. Aber Thees Uhlmann, der St.-Pauli-Fan, versichert: „Ich habe in meinem Leben immer nur wegen Fußball oder Frauen geweint.“

Überhaupt: Seitdem er solo mit neuer Band unterwegs sei und nicht mehr mit den — nach wie vor geschätzten — Tomte, fühle er sich „frei, unschuldig und leicht“. „Da sitzen jetzt Leute im Tourbus neben mir, die sich über musiktechnische Details unterhalten, von denen ich keine Ahnung habe“, sagt Thees Uhlmann und lacht. „Und für wen tun sie das? Für mich!“ Das sei doch großartig.

Genauso wie die Tatsache, dass er bald 40 werde. „Das ist nichts Schlimmes“, kommentiert er. Im Gegenteil: „Wenn ich jetzt wieder auf Tour gehe, stehen da Menschen im Publikum, die so alt sind wie ich und bei denen ich weiß: Die stehen da nur, weil sie einen Babysitter für den Abend gesucht und gefunden haben — weil sie unbedingt mich und die Band sehen wollen.“

Und ganz nebenbei: Anders läuft es bei Konzerten des „Boss“ ja auch nicht.