Traummusik als Soundtrack: Air im Mondfieber

Berlin (dpa) - Sie sind die großen Träumer des Synthie Pop: Nicolas Godin und Jean-Benoit Dunckel alias Air. Ihr siebtes Studioalbum „Le Voyage Dans La Lune“ liefert den Soundtrack zu einem der ersten Science Fiction-Filme überhaupt, „Die Reise zum Mond“ von Georges Méliès.

Martialisch polternde Pauken, verquer hallender Mönchsgesang und stoische Psychedelik in bester Portishead-Manier. Der bedrohlich anmutende Auftakt des neuen Air-Albums sorgt zunächst für Verwirrung. Doch wenn Synthesizer, Mellotron und Wurlitzer einsetzen, ist er sofort wieder da, der typische Air-Sound. Alles beim Alten also? Nicht ganz.

Das Eröffnungsstück „Astronomic Club“ vermengt die typischen Synthies mit überraschend unspektakulären Instrumenten wie Schlagzeug, Pauke und Gitarre. Damit kommt es einem Destillat des gesamten Albums gleich und offenbart neue Facetten im Werk des französischen Elektro-Duos - eine Entwicklung, die sich langsam aber sicher abzeichnete. Wurde „Pocket Symphony“ (2007) noch weitgehend als oberflächlich und belanglos abgetan, so konnten Air mit „Love 2“ (2009) zumindest ansatzweise an ihre alte Form anknüpfen - wenngleich sie nie wieder die Klasse des zeitlos strahlenden Erstlings „Moon Safari“ (1998) erreichten.

„Le Voyage Dans La Lune“ gleicht einer Art retrospektiven Blaupause für das Science Fiction-Kino und weckt dabei vielfältige Reminiszenzen an andere Weltraumklassiker. Die dunkel-bedrohliche Atmosphäre von Stanley Kubricks „2001: Odysee im Weltraum“ lässt grüßen

Für ihren bereits zweiten Ausflug in die Filmmusik spielten Godin und Dunckel ihre Songs live ein. Es bleibt abzuwarten, ob ihnen ihre neu entdeckte Experimentierfreude mit konventionellen Instrumenten erhalten bleibt. Die filmische Vorlage jedenfalls scheint die beiden Fantasten durchaus inspiriert zu haben. Mit seinen über 500 Filmen war der unermüdliche Méliès stets davon fasziniert, im Medium Film fantasievolle Geschichten zu erzählen. Air greifen diese Faszination auf und verpacken sie mehr als 100 Jahre später gekonnt in ihre Traummusik. „Our Tracks are like dreams, we want to escape from reality“, so eine frühe Eigendiagnose von Jean-Benoit Dunckel.

Trotz aller Melancholie, Verträumtheit und Schwerelosigkeit, die dieser Band so eigen sind, vermag „Le Voyage Dans La Lune“ durchaus neue Akzente zu setzen. Befriedigten Godin und Dunckel mit dem grandiosen Debüt noch ihre Faszination für den, wie sie es nennen, „Retro-Futurismus“, so folgt das neue Album eher einem gewissen „Volcano-Style“. Man habe die Steine und Vulkane des Mondes mit perkussiven Klängen und dem verstärkten Einsatz von Bass und Schlagzeug unterstreichen wollen.

Zugegeben: Für diesen Sound mussten Air das Rad nicht neu erfinden. Gelingt es ihnen jedoch, die neuen Facetten von „Le Voyage Dans La Lune“ auch in Zukunft zur Geltung zu bringen, so können sie die Dämonen vergangener Alben mit Sicherheit hinter sich lassen. Ob dies gelingt, bleibt freilich abzuwarten.