Viermal neuer Ami-Folkrock vom Feinsten

Berlin (dpa) - Junge Menschen mit Gitarre auf den Spuren ihrer Sixties-Helden - ja, die amerikanische Neo-Folkrock-Welle spült viel Mittelmaß nach oben. Aber eben auch feine Alben wie die von Milo Greene, The Soft Hills, Night Beds oder Delta Spirit.

So rühmt sich das kalifornische Quintett MILO GREENE, gleich vier Leadsänger zu haben, um seine üppigen Melodien auf den Spuren von Fleetwood Mac (zu „Rumours“-Zeiten), Simon & Garfunkel oder Crosby, Still & Nash zu erzeugen. Damit gelingen der ohne echten Frontmann auskommenden Band auf ihrem selbstbetitelten Debüt (Atlantic/Warner) virtuose Gesänge und ein doch recht eigenständiger, ambitionierter Westcoast-Sound. „Unser Ziel war es, ein zusammenhängendes Album aufzunehmen, das den Hörer von A nach B führt“, erzählt Robbie Arnett, der neben Marlana Sheetz prägendste Vokalist.

Der Name Milo Greene geht zurück auf einen Fantasie-Charakter, eine Art fiktiver Bandboss, hinter dem sich die fünf Musiker bewusst als Kollektiv verstecken wollten. Diese Anonymität und der abgeschiedene Entstehungsprozess des Albums auf einer ehemaligen Farm bei Seattle setzten offenkundig jede Menge Kreativität frei. Songs wie „Cutty Love“, „Silent Way“ oder „Son My Son“ vibrieren nur so vor lässiger Melodieseligkeit und können sich durchaus mit den Folk-Perlen der Fleet Foxes messen. Keine Frage, diese Anfang März erschienene, sonnendurchflutete Platte macht Lust auf Frühling.

Wesentlich rockiger und psychedelisch verzerrter als die milde Softpop-Scheibe von Milo Greene geht das zweite Album der SOFT HILLS aus Seattle zu Werke. Die Band um Singer/Songwriter/Gitarrist Garrett Hobba veröffentlichte mit „The Bird Is Coming Down To Earth“ vor einem Jahr bereits eine beachtliche Talentprobe, wenngleich die eigene Handschrift noch ein wenig fehlte. Das ist nun anders: „Chromatisms“ (Tapete) strotzt vor Selbstbewusstsein und Mut zum Experiment im Rahmen eines melodisch-rauen Folkrock.

Neben den üblichen Verdächtigen drängen sich auch Prog-Vergleiche auf - etwa Pink Floyd oder Radiohead. So verweisen das verträumte „Marigolds“ oder das von sphärischen Gitarrensounds geprägte „Dear Mr. Moonlight“ auf die psychedelische Ära der frühen 70er. Hobbas Falsettstimme erinnert an Thom Yorke ohne dessen inzwischen übliche Manierismen. Gitarren und Moog-Synthesizer erzeugen gelegentlich Klangflächen, die der Ambient Music recht nah kommen. Insgesamt ist „Chromatisms“ ein außergewöhnlich schönes, sich in verschiedene Richtungen öffnendes Werk einer Band mit deutlichem Aufwärtstrend.

Wenn ein Album in einem früheren Domizil von Johnny Cash und June Carter bei Nashville aufgenommen wurde, vermutet man natürlich einen hohen Country-Anteil. Wenn das Debüt von NIGHT BEDS alias Winston Yellen dann auch noch „Country Sleep“ (Dead Oceans/Cargo) betitelt ist, scheint die Sache erst recht sonnenklar zu sein. Es sind dann aber eher Singer/Songwriter der aktuellen Indie-Folk-Szene wie M. Ward oder Mark Kozelek, an die sich Yellen anlehnt. Stimmlich denkt man an Stilisten wie den so talentierten wie erratischen Ryan Adams, Justin Vernon (Bon Iver) oder Robin Pecknold (Fleet Foxes).

Sein enormes Talent als Sänger stellt Yellen gleich zu Beginn ins Rampenlicht, mit der 71-sekündigen A-capella-Kostprobe „Faithful Heights“. Ein mutiger Start, aber der 23-Jährige mit der hellen Sahnekaramell-Stimme kann es sich leisten. Seine warmen Folk- und Americana-Songs wären ohne die tolle Vokal-Performance nicht ganz so spektakulär. Aber mit hauchzarten Arrangements, stimmungsvollen Streichersätzen (besonders im prachtvollen „Wanted You In August“) und einer Pedal-Steel-Gitarre zur rechten Zeiten („Borrowed Time“, „Cherry Blossoms“) präsentieren diese zehn Lieder Winston Yellen auch als begabten Songwriter.

Bereits ihr drittes Album seit 2008 veröffentlichen DELTA SPIRIT aus San Diego, und nach Anfängen als Folk-/Americana-Band schlagen sie nun einen rockigeren Kurs ein. Das selbstbetitelte, seit kurzem endlich auch in Deutschland erhältliche Werk (Rounder/Universal) wurde von Chris Coady (Yeah Yeah Yeahs, TV On The Radio) produziert, und das hört man. Mehr Gitarrenwucht (der neue Mitstreiter Will McLaren durfte gleich richtig ran) und kräftig treibende Drums prägen viele der elf Songs, ohne dass das melodische Gespür der Vorgänger „Ode To Sunshine“ und „History From Below“ verloren ging.

Delta-Spirit-Frontmann Matt Vasquez geht sogar so weit zu behaupten: „Wir haben endlich unseren Sound gefunden... Wir wollten ein großes amerikanisches Album schreiben.“ Mag dieser Anspruch auch noch ein wenig hoch gegriffen sein, so haben experimentelle Songs wie „California“ doch durchaus ihre Qualitäten. Und klassische Folkrock-Mitsinghymnen („Idaho“) oder bildschöne Balladen („Home“, „Time Bomb“) haben die fünf Südkalifornier natürlich immer noch drauf. So sind Delta Spirit zwar nicht - wie einst von der „FAZ“ ausgerufen - „die letzten Hoffnungsträger des Folkrock“, aber doch eine feste Bank für alle Freunde dieses überfüllten Genres.

Konzerte von The Soft Hills: 10.5. Hamburg, Aalhaus 11.5. Oberhausen, Druckluft 12.5. Aachen, Raststätte 13.5. Düsseldorf, Brause 15.5. Erfurt, Museumskeller 16.5. Nürnberg, MUZ 17.5. Berlin, Lovelite 18.5. Halle/Saale, Objekt 5 19.5. Braunschweig, B58 20.5. Dresden, Kunsthofgohlis 21.5. Hannover, Sing Sing 22.5. Mainz, Schonschön 23.5. Bielefeld, Verve 24.5. Stuttgart, Zwölfzehn 25.5. Schongau, Connect-Wochenende Festival 26.5. Thun/Schweiz, Café Mokka

Konzerte von Night Beds: 09.4. Frankfurt/Main, Brotfabrik 10.4. Köln, Gebäude 9 11.4. Hamburg, Knust 12.4. Berlin, Bi Nuu