Vom Folkie zum Drama-King: Father John Misty in Berlin
Berlin (dpa) - Irgendwann singt Josh Tillman alias Father John Misty in seinem Berliner Konzert „Look out Hollywood, here I come“. Ja, dieser Mann sucht die ganz große Bühne und scheut sich nicht, das auch zuzugeben und vorzuzeigen.
Die Songzeile passte zum bombastisch-schrägen Auftritt, den der bärtige Sänger und Gitarrist aus Rockville/Maryland am Samstagabend im plüschigen Ballsaal Heimathafen hinlegte. Da gab einer mit Wonne die Rampensau, warf sich mit ausladenden, oft pathetischen Gesten in jeden Song seiner beiden Soloalben als Father John Misty, strapazierte seine voluminöse Stimme und ließ auch sonst keinen Schmalz- und Kitsch-Effekt aus, um die Wucht seiner exzentrischen Musik in den ausverkauften Neuköllner Club zu transportieren.
All das hatte Tillman vor einigen Wochen schon in der US-Show von David Letterman getan und damit einen Father-John-Misty-Hype ausgelöst, der ihn als kommenden Star des amerikanischen Songwriter-Pop qualifiziert. In der TV-Sendung tremolierte der 33-Jährige am Klavier vor großem Orchester die Elton-John-Hommage und Bruce-Springsteen-Veräppelung „Bored In The USA“, wie man es von einem einst eher unauffälligen Indie-Folk-Musiker niemals erwartet hätte. Die Aufzeichnung wurde auf Youtube bald zum kultigen Klick-Hit mit bisher schon gut 450 000 Zugriffen.
Bekannt geworden war Tillman vor einigen Jahren als Drummer und Hintergrund-Sänger der Dream-Folk-Band Fleet Foxes, die ihn aber bald nervte oder unterforderte oder beides. Nach einigen Low-Level-Veröffentlichungen gelang ihm mit dem ersten Father-John-Misty-Album „Fear Fun“ (2012) ein bereits hochgelobter Neustart. Doch mit dem im Februar erschienenen Großwerk „I Love You, Honeybear“ ((Bella Union/Pias/Cooperative), das in Songs wie „The Night Josh Tillman Came To Our Apartment“ oder „Holy Shit“ autobiografische, ironische und selbstmitleidige Lyrics enthielt, erklomm er als Crooner eine neue Show-Stufe.
Wie ein Rufus Wainwright oder Elton John in der Hetero-Variante flanierte Tillman auch in seiner Berliner Show durch dramatische Melodiebögen und opulente Klangkulissen. Die lieferte eine sechsköpfige Band, die aussah, als sei sie direkt aus den mittleren 70er Jahren ins Hier und Jetzt gebeamt worden. Vor diesen zerzausten Typen konnte der Hauptdarsteller auch optisch glänzen, und er nutzte den Freiraum.
Wäre der Sound weniger hallig und muffig gewesen (das bekommt man im Heimathafen Neukölln durchaus besser hin), man hätte von einem perfekten Glamour-Auftritt sprechen können. Dass das Songmaterial von Father John Misty gut, aber noch nicht grandios ist, konnte Tillman dann allerdings nicht ganz verbergen: Seine Coverversion von Leonard Cohens wunderbarem „I'm Your Man“ ließ die meisten eigenen Lieder doch eher blass aussehen.
Ein weiteres Konzert im März findet am Sonntag (8.3.) in Hamburg, Nochtspeicher, statt.
Webseite: http://www.fatherjohnmisty.com/sap/