Wer war Beethovens Elise?

Klassik: Das bekannteste Klavierstück des Bonner Komponisten wird 200 Jahre alt. Experten rätseln, wem er es gewidmet hat.

Bonn. Didel-didel-didel-didel-di - früher war dies das meistgespielte Klavierstück in deutschen Wohnzimmern, mittlerweile ist es einer der beliebtesten Klingeltöne. Nun wird Beethovens "Für Elise" 200 Jahre alt.

Jeder Klavierschüler fühlt sich ein bisschen wie Richard Clayderman, wenn er "Für Elise" zum ersten Mal halbwegs herunterspielen kann. Das Stück heißt so, weil Beethovens Notenblatt die Aufschrift trug: "Für Elise am 27April zur Erinnerung von L. v. Bthvn".

Ach, Elise! Generationen von pubertierenden Pianisten haben sie vor ihrem geistigen Auge vor sich gesehen. Jeder hatte seine ganz persönliche Elise: eine wilde Fantasie mit langen schwarzen Haaren oder ein Abbild der Klavierlehrerin mit strengem Zopf.

Wenn man romantischen Vorstellungen von Elise anhängt, sollte man ein Quellenstudium tunlichst vermeiden - das kann nur auf eine Enttäuschung hinauslaufen. Man kennt das ja: Das Lächeln der Mona Lisa soll an einer Gesichtslähmung liegen, der Erfinder des Kinderbuchs "Pu der Bär" war zu Kindern gemein. Und Elise? Die gab es womöglich gar nicht.

Ludwig van Beethoven (1770-1827) war nie verheiratet, jedoch ab und an unglücklich verliebt. Eine Elise war nicht dabei. Denkbar ist natürlich, dass Elise ein One-Night-Stand war, der in der Geschichte keine Spuren hinterließ. Aber solch eine Bekanntschaft bedenkt man wohl kaum mit einem Klavierstück in a-Moll. Beethoven war Mittelklasse-Bürger, und sein Anspruch ging ins Höhere.

Die Biografen des Meisters haben längst eine wissenschaftlich trockene Erklärung gefunden: Demnach ist die Elise ein Lesefehler. Seltsamerweise tauchte das "Für Elise"-Original erst lange nach Beethovens Tod auf. Der Musikwissenschaftler Ludwig Nohl (1831-1885) entdeckte es in einem Münchner Privathaus - und verbummelte es anschließend wieder. Herrschende Lehrmeinung ist: Wo Nohl "Elise" las, stand in Wirklichkeit "Therese".

Einer Therese von Malfatti machte Beethoven 1810 einen Heiratsantrag, das würde also passen. Man fragt sich nur: Wieso sollte Professor Nohl, der größte Beethoven-Experte seiner Zeit, so schlecht hingeschaut haben?

Der Berliner Forscher Klaus Kopitz kam im vergangenen Jahr nun doch mit einer richtigen Elise, die man sich sogar auf einem Ölgemälde anschauen kann: Nach seiner Überzeugung handelt es sich bei der weltberühmten Unbekannten um die Opernsängerin Elisabeth Röckel (1793-1883), für ihre Freunde Elise.

Sie war nachweislich recht eng mit Beethoven befreundet. Wie sie erzählte, konnte er es "in der Ausgelassenheit seines rheinischen Naturells" nicht lassen, sie "zu stupfen und zu necken" und "aus lauter Zuneigung immer in den Arm" zu kneifen. Eine von ihr aufbewahrte Haarlocke des Kneifers befindet sich heute im Bonner Beethoven-Haus. Die meisten Experten sind von der Theorie aber nicht überzeugt.

Noch eine Idee hat der italienischer Forscher Luca Chiantore. Er hat sich acht Jahre mit "Für Elise" beschäftigt und meint: Das Werk ist gar nicht von Beethoven. Laut Chiantore fand Noll in München lediglich ein Skizzenblatt und schuf auf dieser Grundlage eine eigene Komposition.

Wer Elise auch gewesen sein mag, die Tantiemen dieses einen Stückchens allein würden Beethoven heute zum zigfachen Millionär machen. Ironie des Schicksals, denn den Komponisten plagten zeitlebens Geldsorgen. Gerade im Elise-Jahr 1810 fluchte er: "Hol’ der Henker das Ökonomisch-Musikalische!"