„Who I Am“: Pete Townshend packt aus
London (dpa) - Seit 1996 hat er versucht, sich zu erklären, und ist daran immer wieder gescheitert. Jetzt hat der musikalische Kopf der Band „The Who“, Pete Townshend, es endlich geschafft. Im Oktober erschien seine Biografie „Who I Am“ auf Englisch, jetzt ist sie auch in deutscher Übersetzung zu haben.
Sehnsüchtig wurde sie von den Fans erwartet - denn was den heute 67-Jährigen zur Erfindung des „Powerchords“ bewegte oder zu in dieser Art bis dahin nie dagewesenen Songs wie „My Generation“, „I Can't Explain“ oder „Pinball Wizard“, das gehörte zu den Rätseln der Rockgeschichte. Gehofft wurde auch auf atemberaubende Erlebnisse aus der Kategorie „Sex and Drugs and Rock' n' Roll“. Beides liefert der Brite mit der markanten Nase aus seiner ganz persönlichen Sicht.
An den Anfang der Beschreibung seines Lebens aber setzt der Brite seine Band The Who (Tommy). „Es ist fantastisch, magisch, surreal, sie alle zu meinen Feedback-Gitarrensoli tanzen zu sehen“, sind die ersten Worte, die eine ganze Menge sagen. „Normalerweise würde ich mich wie ein Einzelgänger fühlen, selbst inmitten der Band, aber heute Abend, im Juni 1964, beim ersten Konzert von The Who im Railway Hotel in Harrow, West London, bin ich unbesiegbar.“
Von den vier Who-Jungs leben heute nur noch Townshend und der Sänger Roger Daltrey. Der Schlagzeuger Keith Moon und der Bassist John Entwistle kamen aus dem Rockstar-Dasein voller Drogen und Alkohol nicht heraus. Townshend galt stets als der musikalische Kopf der Gruppe und auch psychisch als am stabilsten. Doch er musste seine eigenen Dämonen bekämpfen, wie er berichtet. Sucht- und Minderwertigkeitsgefühle gehörten dazu.
Viele der Ursachen für späteres Leiden sieht er in seiner problematischen Kindheit und Jugend. Dabei ist ihm anzumerken, dass er diese - wie er auch selber sagt - in stundenlanger Therapie aufgearbeitet hat. Ins Nachkriegs-England geboren, wurde er im Alter von sechs Jahren zu seiner Oma geschickt, um dort zu leben. Eine „furchtbare Hexe“ sei diese gewesen. Er beschreibt den sexuellen Missbrauch, dem er als Kind ausgesetzt war, und seine Flucht in die Musik. Vom Beginn von The Who bis hin zu späteren Projekten schildert er seine ganz persönliche Erfahrung.
Genau das hat ihm in Großbritannien in Kritiken nicht nur Lob gebracht. So warf die Zeitung „The Telegraph“ ihm vor, zu selbstzentriert zu sein. „The Independent“ nannte das Buch „eine verpasste Chance“, der „Guardian“ hätte sich mehr „Einblick in sein Songschreiben“ gewünscht. Der „Rolling Stone“ allerdings sieht das anders: „Dieses Buch ist weitaus ehrlicher, als die Fans zu hoffen gewagt hätten.“