Wie reich dürfen junge Musiker sein?

London (dpa) - Chris Bryant wurde als Kind ein besonderes Privileg zuteil: Er erhielt seine schulische Ausbildung an einer der traditionsreichen, aber teuren englischen Privatschulen, am Cheltenham College in Gloucestershire.

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Das können sich nur gut betuchte Eltern leisten.

Bryant gehört mit seiner Schulausbildung zu den Reichen in England. Es war ausgerechnet der Labour-Politiker, der eine jahrealte Diskussion neu entfachte. Seine These: Die in Großbritannien so wichtige Musikbranche, einst Domäne der Arbeiterklasse, werde dominiert von Sprösslingen reicher Familien der Mittel- und Oberschicht, ausgebildet an teuren Privatschulen.

Den Sänger James Blunt („You're Beautiful“) nannte Bryant namentlich, aber auch die Sängerin Lily Allen, die Schauspieler Benedict Cumberbatch („The Imitation Game“, „Sherlock“) und Eddie Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) gerieten plötzlich unter eine Art Rechtfertigungsdruck für ihre bezahlte Schulbildung. Handelt es sich um einen geschickt eingefädelten Klassenkampf des Labour-Politikers, gut drei Monate vor der mit Spannung erwarteten Unterhaus-Wahl in Großbritannien?

Dagegen spricht, dass die Debatte vor vier Jahren schon einmal geführt wurde - da war die Wahl gerade vorbei. Damals waren Lily Allen und der Coldplay-Sänger Chris Martin angezählt worden. Die britische Musikbranche lebt immer noch von den Mythen der 1960er Jahre. Damals lösten Musiker aus Arbeiterstädten eine wahre Revolution aus. Die Beatles aus Liverpool, mit dem Matrosen-Sohn John Lennon an der Spitze, Joe Cocker, der singende Gasmann aus Sheffield. Oder Roger Daltrey, der Frontsänger von The Who, der im Londoner Arbeiterbezirk Acton groß wurde. Sie alle standen stellvertretend für das, was die BBC-Musikmoderatorin Annie Nightingale so ausdrückt: „Es ging darum, dass Leute aus der Arbeiterklasse zeigen konnten, was sie können.“

James Blunt sieht das ein wenig anders. Der Musiker, der 17 Millionen Alben verkauft hat, obwohl er öffentlich zugibt, kein Talent zu haben, sieht seine Vergangenheit auf einem teuren Eliteinternat eher als Hindernis für seine Musikerkarriere. In Harrow, dort wo auch schon Winston Churchill Bildung gegen Bares erfahren durfte, habe ihm keiner geholfen. „Das einzige, was mir geholfen hat, waren die Leute in der Musikbranche, die mehrheitlich nicht vom Internat kommen und mir gesagt haben, ich soll mir hohe Ziele stecken“, sagte Blunt in einem Zeitungsinterview.

Zahlen der staatlichen Kommission für Soziale Mobilität und Kinderarmut zeigen, dass fast ein Viertel derjenigen Musiker, die in den vergangenen fünf Jahren ein Top-40-Album veröffentlicht hatten, von Privatschulen kommt. Die Kommission bezeichnete die britische Gesellschaft als „zutiefst elitär“, der Weg an die Spitze sei ein „closed shop“. Wo der Labour-Politiker Bryant arbeitet, im britischen Unterhaus, haben ein Drittel der Abgeordneten einen Abschluss der Eliteuniversitäten Oxford oder Cambridge.

Wie James Blunt regt sich auch Benedict Cumberbatch auf. Sein Talent sei es gewesen, das ihn dorthin gebracht hat, wo er jetzt ist: an der Schwelle zu einer Oscar-Auszeichnung. „Eines der besten Dinge am Schauspielern ist, dass es sich um eine Leistungsgesellschaft handelt“, sagte Cumberbatch.

Da liegt er falsch, sagt Julie Walters, einer der Stars des Ballett-Films „Billy Elliott“. „So wie es jetzt ist, gibt es keine Schauspieler mehr aus der Arbeiterklasse“, sagt sie. Kleine Theater sterben aus und die teuren Schauspielschulen können nur wohlhabende Eltern sponsern. Der Chef des britischen Kunstrates, Peter Bazalgette, pflichtet ihr bei. „Leute mit unabhängigen Finanzen werden leichter Schauspieler.“