Wise Guys schenken in Indien Zeit und Musik

Neu Delhi (dpa) - Seit vielen Jahren sammelt die A-cappella-Gruppe Wise Guys auf ihren Konzerten Spenden für Obdachlose. Nun besuchen sie Straßenkinder in Indien. Dabei singen sie nicht nur, sondern lauschen auch den Geschichten der Armen - und werden tief berührt.

Große Kinderaugen strahlen die Mitglieder der A-cappella-Band an, als sie zum fünfstimmigen Gesang anheben. Die Wise Guys versetzen die Menschen in einer Notunterkunft für Frauen und Kinder in Indien in Erstaunen - und sind auch selbst durch die Begegnung gerührt. „Hier gibt es so viel Armut, aber die menschliche Wärme ist da. Untereinander und uns gegenüber“, sagt Bariton Daniel „Dän“ Dickopf.

Die Kölner Vokal-Pop-Band ist für einige Tage in die indische Hauptstadt Neu Delhi gereist, um zu sehen, wohin die Erträge ihrer Benefizkonzerte fließen sowie die Gelder ihrer Fans, die sie auf Konzerten oft um Spenden für Entwicklungsprojekte bitten. „Damit wir den Leuten zeigen können: Hier ist euer Geld“, sagt Dän. Die Wise Guys arbeiten mit dem Hilfswerk Misereor zusammen und sind Schirmherren des Projekts Butterflies (Schmetterlinge), das sich um Straßenkinder kümmert und ihnen Unterkünfte, Bildung und medizinische Versorgung bietet.

Doch die Bandmitglieder merken schnell, dass es bei der Reise um mehr geht als Kontrolle über die Spenden. „Wir können den Menschen hier Wertschätzung entgegenbringen durch Zuhören“, meint Bariton Edzard „Eddi“ Hüneke. Und Bass Andrea Figallo fügt hinzu: „Die Menschen freuen sich, dass sich jemand um sie kümmert, ohne etwas im Gegenzug von ihnen zu erwarten.“ Ihnen ginge es als Musikern ganz ähnlich: Sie bekämen von den Fans Zeit geschenkt, wenn diese ihren Liedern lauschten. „Dieses Mal können wir Zeit und Liebe geben.“

Eine Witwe in einem orangefarbenen Sari erzählt den Sängern, sie sei in einem „Bettel-Gefängnis“ gewesen. Dort habe sie oft gehungert, weil die Aufseher das Essen nicht austeilten, sondern weiterverkauften. Eddi zeigte sich „sehr bewegt“ von den persönlichen Geschichten der Obdachlosen. „Irgendetwas in dem Schutzraum hat mich umgehauen“, gibt er zu.

Schon am Eingang waren die Wise Guys von einem großen Blumenmosaik empfangen worden, ein kleines Mädchen punktete ihnen ein Segenszeichen auf die Stirn und knüpfte allen ein Bändchen ums Handgelenk - damit machte es sie ehrenhalber zu Beschützern. „Diese Menschen haben nichts und geben doch so viel“, meint Tenor Nils Olfert. Bandkollege Dän fühlt sich sofort wie in einem Wohnzimmer - trotz Stockbetten und Schneidersitz auf dem Boden. „In Deutschland wird Gastfreundschaft daran festgemacht, ob die Tischdecke gebügelt ist“, sagt er nachdenklich.

Eine Jugendliche in der Runde erzählt, sie sei in der Schule wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer niedrigen Kaste ausgeschlossen worden. Lehrer und Mitschüler hätten sie nicht zu Schulfesten eingeladen. „Da habe ich mich sehr machtlos gefühlt gegenüber der uralten Macht des Kastenwesens“, sagt Eddi später. Ihm sei bewusst geworden, wie unterschiedlich die Startbedingungen für Menschen auf der Welt sind.

Die Band, die ihren Harmoniegesang mit Mund-Percussion hauptsächlich auf Deutsch vorträgt, findet es deswegen auch richtig, Spenden nach Indien, Südamerika und Südafrika zu geben und nicht in Deutschland einzusetzen. „Das ist eine andere Qualität von Armut, die man hier erlebt“, sagt Dän. Laut Misereor sind 78 Millionen Inder obdachlos, das entspricht fast der Einwohnerzahl Deutschlands. Diese Menschen haben nicht einmal einen festen Platz in einem der Slums, in denen weitere 158 Millionen Inder leben sollen.

Einigen hundert Obdachlosen wollten sie Hoffnung geben, sagt Bariton Marc „Sari“ Sahr. Seit neun Jahren unterstützen die Wise Guys Misereor, es ist bereits ihre zweite Reise nach Indien. Und wohin sie in Delhi auch kommen, stets fangen sie an zu Singen. „Selbst wenn die Kinder den Liedtext nicht verstehen, entsteht trotzdem eine Bindung“, sagt Sari. Das hat auch Andrea bei den Besuchen gespürt. „Ich weiß nicht, ob sie wirklich zuhören. Sie waren einfach glücklich, dass wir mit ihnen Zeit verbracht haben.“