Stück über sexuelle Belästigung Theater auf der Höhe der #Metoo-Debatte
Nicht erst der Skandal um Weinstein zeigt, wie verbreitet sexuelle Belästigung ist. Die Britin Nina Raine greift das Thema in ihrem neuen Stück „Konsens“ auf.
Düsseldorf. Dass sie mal Schriftstellerin werden würde, scheint ihr in die Wiege gelegt. Denn Nina Raine, Jahrgang 1975, ist die Tochter des britischen Dichters Craig Raine und der Literatur-Dozentin Ann Pasternak Slater. Und damit Großnichte des „Doktor Schiwago“-Autors und Nobelpreisträgers Boris Pasternak. Von Schicksal will sie dabei nicht sprechen.
Nina Raine kommt gerade von der Probe ihres vierten Theaterstücks „Konsens“, das im April in London aus der Taufe gehoben wurde und am Samstag, 20. Januar, in der Düsseldorfer Spielstätte Central am Hauptbahnhof seine deutschsprachige Erstaufführung feiern wird. Raines Drama über den menschlichen Makel der seelischen Kälte spielt unter jungen Großstädtern, die sich darum bemühen, das Berufliche und die Beziehung zum anderen Geschlecht in Balance zu bringen. Es geht um sexuelle Gewalt und um einen Prozess, in dem eine der Frauen nicht ihr Recht bekommt.
Das Thema hat in den vergangenen Monaten durch den Skandal um Produzent Harvey Weinstein in Hollywood und die anschließende #MeToo-Bewegung international an Aktualität gewonnen. Kein Wunder, dass schon Fernsehsender und der Broadway an „Consent“ (so der Originaltitel) interessiert sind und wegen der Rechte bei Nina Raine angefragt haben. Wir sprachen mit Raine über Stück und Thematik.
Frau Raine, wie kamen Sie auf das Thema?
Nina Raine: Um Geschlechterkampf drehte sich bereits mein erstes Werk „Rabbits“ (2006 in London uraufgeführt, 2007 in New York). Das war mein Durchbruch. Es ist eine Mischung aus Sex-Comedy und Drama im bürgerlichen Milieu mit Figuren um die 30. Das war der Prototyp für „Konsens“. Darin sind nun die Personen zehn Jahre älter. Den Auftrag für das Stück erhielt ich durch die Londoner Theatercompany, die mit „Rabbits“ einen großen Erfolg verbuchen konnte.
Man könnte sagen, Sie waren visionär, oder?
Raine: (lacht) Vielleicht. Ich bin erstaunt darüber, wie schnell sich in den vergangenen Wochen die Debatte um sexuelle Gewalt und Belästigung zugespitzt hat.
Wie lange schrieben Sie an „Konsens“?
Raine: Etwa sieben Jahre. Als ich anfing, war das Thema noch nicht so heiß wie heute. Wie stark viele Frauen von sexueller Belästigung heimgesucht werden, verstand ich aber, als ich in London Gerichts-Verfahren besuchte. Als Beobachter (manchmal neben einem Richter) hatte ich Angeklagte und Kläger direkt im Blick. Auch auf der Public Gallery. Das war beängstigend. Denn auch die mutmaßlichen Täter sahen mich genau an und merkten, dass ich mir Notizen machte. Einige Details habe ich in einer Gerichtsszene von „Konsens“ verarbeitet.
Was ist Ihnen besonders aufgefallen?
Raine: Wie elegant und auf den Punkt die Anwälte formulieren. Die betroffenen Frauen jedoch sind bei der Befragung so berührt, dass sie kaum die richtigen Worte finden können.
Ergreifen Sie als Autorin Partei?
Raine: Nein, aber im Laufe des Stücks spürt man, dass jeder zu diesem Verbrechen fähig sein kann. Und ich bin einerseits froh, dass durch Internet und soziale Netzwerke viele der betroffenen Frauen endlich den Mut haben, öffentlich zu sagen „Ich auch!“. Andererseits habe ich auch Angst davor, dass sich eine Mob-Mentalität entwickelt.
Ist „Konsens“ ein Boulevardstück?
Raine: Eher nicht. Aber es ist eine Mischung Komödie und Thriller. Ehrlich gesagt: Es ist doch toll, Zuschauer zum Lachen zu bringen und sie im nächsten Augenblick weinen zu sehen. In der griechischen Tragödie heißt das Läuterung, oder Katharsis.
Was sagen Sie zu Catherine Deneuve, die sich vergangene Woche für die „Freiheit des Mannes zur Belästigung“ ausgesprochen hat?
Raine: Diese Gegenthese von Deneuve finde ich interessant. Aber sie hat leicht reden. Denn sie ist privilegiert und durch ihre Weltkarriere eine mächtige und einflussreiche Frau.
Haben Sie persönlich die Erfahrung sexueller Belästigung gemacht?
Raine: Nein. Als Regisseur oder Autor ist man weniger betroffen. Man muss nicht flirten. Schauspieler(innen) aber müssen flirten können. Das gehört zu ihrem Job. Von ihnen erwartet man auch eine sexuelle Ausstrahlung. Aber nicht vom Autor.
Woran arbeiten Sie derzeit?
Raine: An meinem nächsten Stück. Es geht um Familie und Mutterschaft. Uraufführung ist im September im National Theatre. Regie führe ich diesmal selbst.
Wird das auch in Düsseldorf zu sehen sein?
Raine: Da müssen Sie den Intendanten Wilfried Schulz fragen.