Düsseldorf. Tanz-Museum nach Schläpfer-Art

Düsseldorf. · Ballett am Rhein: Applaus für Premiere mit vier modernen Stücken von gestern und vorgestern. Neuer Tanzabend „b.40“.

Kostüme und Wände – alles in Varieté-Rotlicht getaucht. In stilisierten Röckchen und Uniförmchen tanzt das Ensemble ganz schmissig.

Foto: Gert Weigelt

Jacques Offenbach, Ur-Vater der Operette, feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag und wurde von Paul Taylor 1995 in einem witzigen Tanzstück auf die Schippe genommen. Merce Cunningham (1919-2009), Begründer des amerikanischen zeitgenössischen Tanzes, wäre 100 Jahre alt geworden. Das scheint die einzige inhaltliche Klammer des neuen Tanzabends „b.40“ des Balletts am Rhein in Düsseldorfs Rheinoper. Vier Stücke von US-amerikanischen Choreographen des letzten Jahrhunderts – Werke von 1958 bis 1995 – bietet dieser Museumsbesuch nach Schläpfer-Art – in der letzten Premiere der vorletzten Spielzeit des einst bejubelten Ballettchefs. Kein Wunder, dass das Publikum erst am Ende des Vierteilers, nach der heiteren Persiflage auf Jacques Offenbachs Walzer und Cancan, die Lähmung überwand und begeistert reagierte.

Die ersten drei Stücke ernteten nicht mehr als flauen Achtungs-Applaus, abgesehen vom obligatorischen Jubel von Tänzern, die nicht im Einsatz waren und ihre Kollegen feierten. Denn nur knapp die Hälfte des hoch gedrillten Rheinballetts, das bei diesem Abend nicht mit seinem Virtuosentum brillieren kann, ist auf der Bühne zu sehen. Warum ausgerechnet diese Stücke kombiniert werden? Das weiß nur Schläpfer, der Noch-Chefchoreograph. In der Wiener Staatsoper, wo der Schweizer ab 2020 als Tanzchef das Sagen haben wird, ist dieser Abend mit lauter Petitessen und zum Teil angestrengter Moderne von gestern und (vor)vorgestern kaum vorstellbar.

Was ist in knapp zwei Stunden – inklusive 40 Minuten Pause – also zu sehen? Den Beginn macht eine ästhetische Kurzreise mit neoklassischem Tanz in den Pazifik. Zu erahnen ist dies durch „Pacific“, den Titel der tänzerisch wenig herausfordernden, eher harmlosen Kreation des Neoklassikers Mark Morris. In langen, wehenden, stilisierten Folklore-Röcken in Weiß-Blau, Weiß-Grün und Weiß-Rot ergehen sich einige der Solisten in klassischen Bewegungsmustern. Bekannte Gruppenbilder, gefühlvolle Pas-de-deux-Variationen und Soli – besonders von Chidozie Nzerem – sorgen für eleganten, neoklassischen Fluss. Ganz schön anzusehen ist das, zumal die Lichteffekte Blau, Grün und Rot (James F. Ingalis) einen Farben-Zauber der eigenen Art bescheren.

Experimentelle Studie passt ins Tanzhaus NRW

„Locus Trio“ von Trisha Brown (1936-2017) bietet danach nicht mehr als Strandgymnastik in Weiß. Ohne Musik, würde man am Strand auch gar nicht hören. Drei Tänzer in weißen Gewändern wärmen sich auf. Dehnen ihre Oberkörper, laufen, hüpfen und rollen über den Boden. Das Trio ertastet sich den Ort – Lateinisch: „Locus“ –, der, laut Programmheft, ein Würfel aus 27 Punkten sein soll. Die experimentelle Studie, die direkte Nähe zum Betrachter fordert, passt ins Tanzhaus NRW, bleibt aber im Opernhaus fern und langweilt.

Im Duo von Merce Cunninghams „Night Wandering“, von 1958, geht ein Paar (Camille Andriot und Michael Foster) auf Wanderschaft durch die Nacht. Der Mann stützt und hebt die Frau. Beide in orange-braunen Fell-Kostümen – ursprünglich entworfen von Cunninghams Künstlerfreund Robert Rauschenberg. Die archaischen Formen sind das Interessanteste an dem Stück zu längst überholten, altmodern wirkenden Klangsplittern von Bo Nilsson. Weniger aufregend als einschläfernd die einfache, reduzierte Bewegung des Paares, das aber immerhin ab und zu Tanzschritte wagt.

Dann führt Paul Taylor (1930-2018) in seiner Offenbachiade von 1995 in ein amüsantes Etablissement, in dem Offenbachs French Cancan und Walzerrhythmen – der berühmten „Barcarole“ – für ausgelassene Stimmung sorgen. Locker und luftig gespielt von Düsseldorfer Symphonikern unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut. Kostüme, Schuhe, Kappen und Wände – alles in glühendes Varieté-Rotlicht getaucht. In stilisierten Röckchen und Uniförmchen galoppiert das Ensemble schmissig dahin, tanzt Walzer – manchmal betont unbeholfen und mit einem ironischen Blinzeln. Der Clou ist der American Eagle Walzer: Zwei Duellanten und ihre Sekundanten bereiten sich auf ein Duell vor, geraten aber in einen urkomischen Strudel von Verwechslungen, sodass sie am Ende weniger die Waffe zücken, als vergnügt miteinander oder mit ihren Sekundanten Walzer tanzen. Eine Persiflage, die wie eine Offenbach-Comedy wirkt und stürmisch gefeiert wird.

Weitere Aufführungs-Termine sind: 24., 28., 30. Juni, 10., 12. Juli. Tickets gibt es unter Telefon  0211/ 8925 211 oder unter: