Ballettchef Martin Schläpfer: „Der Körper braucht Schutz“

Der Chef des Balletts am Rhein über Tanztechnik, Choreografie und warum er die Spiegel im Ballettsaal für unverzichtbar hält.

Foto: Gert Weigelt

Düsseldorf. „Man kann nicht lernen, Künstler zu sein!“ Ein zentraler Satz, den Martin Schläpfer beim „Dienstags-Gespräch“ im Tanzhaus NRW von sich gab. Gerichtet an die deutsch-belgische Choreografin Paula Rosolen, die von der akademischen Ausbildung von Choreografen überzeugt ist. Zum Thema „Körper herstellen — Training und Choreografie“ sollten die beiden diskutieren. Doch Diskussionen bereiten dann Freude, wenn zwei auf Augenhöhe streiten. Das Problem wurde schnell erkennbar: Schläpfer, Erneuerer des klassischen Balletts, gilt in der Branche als Star. Rosolen war noch nie in Düsseldorf, weder als Tänzerin noch als Kreateurin. Schläpfers Werke sind im deutschsprachigen Raum bekannt, Rosolens „Aerobic“-Opus kennt hier kein Mensch.

Eine Schnapsidee der Tanzhaus-Chefin also, ausgerechnet die sympathische Mrs. No-Name auf ein Podium zu bitten mit Schläpfer, den jeder kennt, der sich für Tanz interessiert. Die meisten Zuschauer kamen, um etwas zu erfahren vom Chef des Balletts am Rhein, von der Art, wie er ans Werk geht bei seinen mit Preisen dekorierten Arbeiten. Von vielen Tänzern hoch geschätzt als Trainings-Leiter, gesteht er: „Das Training am Morgen ist für mich der wichtigste Teil, um kreativ zu sein.“ Beim Training an der Stange oder in der Diagonalen erkenne man, „wie es einem Tänzer geht und ob jemand ein Künstler sein kann.“ Anspruchsvoll sei das Training für Tänzer, die an einem Abend in Stücken von Merce Cunningham und George Balanchine auftreten. Es müssten stets andere Muskel-Partien stärker trainiert sein. Außerdem muss seine Kompanie vorbereitet sein, im Berg- oder Spitzenschuh oder barfuß aufzutreten. Außerdem fordere die Altersspanne von 20 bis 47 vom Trainer ein individuelles Vorgehen und Rücksichtnahme. „Der Köper braucht Schutz“, erklärt er.

Erstaunt zeigt sich Schläpfer über die ganz andere Sichtweise seiner Kollegin. Rosolen, die erst mit 20 auf Spitzenschuhen tanzte, ist es egal, wie sich ihre Tänzer vorbereiten, wie sie sich fit machen. „Zeitgenössischer Tanz kommt doch auch nicht ohne Technik aus“, entgegnet er. Zum Thema Spiegel im Ballettsaal, von manchen Choreographen kategorisch abgelehnt, sagt er: „Spiegel benutze ich wie einen Schraubenzieher.“ Als Handwerkszeug. „Ich gucke, ob eine Bewegung funktioniert oder nicht.“ Was ein gutes Stück ausmache? „Das ist magisch und bleibt ein Geheimnis.“ Schreibt er denn seine erfundenen Schritte oder Schrittfolgen auf? Nein. „Ich habe das Konzept im Kopf. Auf dem Papier steht nichts.“