Geschlechtergerechte Sprache Wie sehen junge Menschen das Gendern?

KÖLN · Das Kölner Rheingold-Institut hat bei Menschen unter 36 eine Umfrage und Interviews zu geschlechtergerechter Sprache gemacht.

 Gendern kann nerven – das empfinden viele junge Leute nicht anders als ältere. Das Rheingold-Institut hat zum Thema „Gendern“ 2000 junge Menschen befragt.

Gendern kann nerven – das empfinden viele junge Leute nicht anders als ältere. Das Rheingold-Institut hat zum Thema „Gendern“ 2000 junge Menschen befragt.

Foto: MHA

Gendern – das bedeutet geschlechtergerechte Sprache. Der geschlechterbewusste Sprachgebrauch soll die Forderung nach Gleichbehandlung der Geschlechter zum Ausdruck bringen. Beim geschriebenen Wort mittels Einfügen von Sternchen, Schrägstrich oder Unterstrich in das Wort (Leser*innen). Beim gesprochenen Wort durch eine kleine Pause vor dem …innen. Die Mehrheit insbesondere in den höheren Altersgruppen, so zeigen Umfragen, steht dem Gendern kritisch gegenüber. Aber wie ist es mit den Jüngeren? Das wollte das Kölner Rheingold-Institut herausfinden. Mit einer Studie wurden 14- bis 35-Jährige befragt. Als quantitative Befragung bei 2000 Menschen zwischen 16 und 35 Jahren. Hinzu kamen Interviews von Befragten zwischen 14 und 35. Beide Gruppen waren je zur Hälfte männlich und weiblich.

Nachteil und Nutzen der Stolperfalle beim Sprechen

Heraus kam: 54 Prozent der Befragten lehnen die Genderdebatte eher ab und fühlen sich zum Teil auch stark „genervt“ oder provoziert. Eines der Interview-Zitate scheint zu belegen, wie aufgeladen die Diskussion zuweilen auch bei den Jüngeren verläuft:  „In der Schule bin ich schon aus dem Raum gegangen, weil alle sich angeschrien haben wegen einer Genderfrage.“ 44 Prozent, vor allem jüngere Frauen, finden die Diskussion dagegen (eher) wichtig und gerechtfertigt. Aber hilft das Gendern, um der dahinter stehenden Idee gerecht zu werden: die Lücke in der  Gleichberechtigung von Frauen in Alltag und Berufsleben immer wieder ins Bewusstsein zu rücken? Hier ist den Kölner Markt- und Medienforschern beides begegnet: Zustimmung und Ablehnung. Vielfach werde vor allem die Pause beim Sprechen, die durch das Gendern im Sprachfluss erlebt wird, „wie ein holpriges, abruptes Loch“ (Interview-Zitat) empfunden, das irgendwann vom Inhalt ablenkt. Dieses Loch werde häufig wie eine sprachliche „Stolperfalle“ beschrieben.

Aber wie wirkt diese Stolperfalle? Offenbar sehr unterschiedlich. Die einen sehen sie als Behinderung im Sprachfluss, die das Trennende eher verstärkt als aufhebt: „Durch die Gendersprache wird der Unterschied zwischen Männern und Frauen viel mehr dargestellt, das wird krasser auseinanderdividiert, das soll es doch gerade nicht“, heißt es in einer Interview-Äußerung.  „Wo ein *innen, da ein Außen“, wird diese Wahrnehmung auf den Punkt gebracht.

Die anderen betonen hingegen einen Nutzen der Stolperfalle. Diese sei für sie eine freundliche Erinnerung, die für ungelöste gesellschaftliche Probleme nicht nur in puncto Gleichberechtigung sensibilisiere. Maßvoll eingesetzt fördere das Gendern somit ein besseres Miteinander, glauben sie. Eine Äußerung in einem der Interviews bringt es so auf den Punkt: „Es ist gut, dass man über diesen sprachlichen Stolperstein stolpert, doch wenn man zu oft stolpert, verliert der Stein seine Funktion. Wenn es zu überladen ist, ist man ja nur noch mit dem Versuch beschäftigt, nicht hinzufallen.“

Die Idee hinter dem Gendern ist es, für Gleichberechtigung, für Toleranz im weitesten Sinne zu sorgen. Wie tolerant sollten da diejenigen sein, die eben dieses Gendern in der Sprache einfordern? Schließlich passt es nicht so recht, wenn diejenigen, die für mehr Toleranz und ein inklusives Miteinander werben, selbst dabei zu unnachgiebig auftreten. Wie sehen die jungen Menschen diese Frage?  Die  vom Rheingold-Institut Befragten wünschen sich am häufigsten, dass das Gendern tolerant gehandhabt wird (39 Prozent) – „jeder so, wie und wo er/sie es will“; und locker und flexibel (31 Prozent) – „es nicht bis auf Kleinste durchziehen“. Nur elf Prozent sind dafür, es überall und konsequent durchzusetzen.

Mehr als 50 Prozent der Befragten finden Gendern in der schriftlichen Kommunikation mit offiziellen Institutionen oder Behörden, bei Vorträgen/Konferenzen eher wichtig bis sehr wichtig. Im privaten Freundes-/Bekanntenkreis finden dies aber nur 26 Prozent. Aber zum Beispiel bei Stellenanzeigen sehen die meisten Jüngeren (und diese sollen ja mit den Inseraten in der Regel angesprochen werden) im Gendern ein wichtiges Signal zeitgemäßer und individualisierender Ansprache. Fehlendes Gendern lasse den Arbeitgeber eher altmodisch und für jüngere Zielgruppen weniger attraktiv erscheinen, so die Studienmacher. Und Macherinnen.