Kunst Wolfgang Niedeckens leises Malen vor der BAP-Karriere

Sie kennen sich seit dem Kunststudium. Jetzt sind die Arbeiten von Wolfgang Niedecken, Manfred Boecker und Rainer Gross in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach zu sehen.

Foto: Doro Siewert

Bergisch Gladbach. Am Mittwoch hat Wolfgang Niedecken die documenta in Kassel besucht und irgendwann gedacht: „Das ist hier ja alles komplett humorbefreit. Und das ist dann für mich sehr schwer zu ertragen.“ Scheints vorbei die Zeiten, in denen ein Sigmar Polke den Humor in der bildenden Kunst salonfähig machte. „Guter Humor geht über Stammtischwitze weit hinaus“, sagt Niedecken. In seinen Liedtexten kann man dem immer wieder begegnen. In seinen Kunstwerken auch.

Foto: Villa Zanders

Der Dielenboden in der ehrwürdigen Villa Zanders in Bergisch Gladbach knarrt. Stuck an der Decke, über dem Treppenaufgang ein Kronleuchter. Und dann zwischen zwei Gipsabgüssen antiker Statuen — der BAP-Altar. Für Niedecken „ein wunderbarer Bruch“. Seit 1998 begleitet der Altar die Band auf Tour. Ausgangspunkt war ein Foto des völlig vergeigten Live-Aid-Auftritts von Bob Dylan, Keith Richards und Ron Wood 1985 in Philadelphia. Seither hat Niedecken Hunderte Figürchen, Anstecker, Sticker, Anhänger und andere Fundstücke zusammengefügt. Ein Kaleidoskop der beiläufigen Erinnerungen, das noch immer weiter wächst.

Foto: Michael Wittassek

Die Ausstellung „Freunde treffen sich — Revisited“ führt zurück in die Zeit, als der Künstler Wolfgang Niedecken noch nicht daran dachte, dass ihn sein Musikhobby eines Tages auf ganz andere Wege führen würde. Schon Jahre vor dem ersten Album „Wolfgang Niedecken’s BAP rockt andere kölsche Leeder“ aus dem Jahr 1979 hatten sich Niedecken, der spätere BAP-Percussionist Manfred „Schmal“ Boecker und Rainer Gross Anfang der 1970er Jahre beim Kunststudium an den Kölner Werkschulen kennengelernt. Es gab Kontakte in die New Yorker Pop-Art- und Fotorealismus-Szene um Howard Kanovitz und Larry Rivers. Und erste Erfolge mit Ausstellungen im Kölnischen und im Hamburger Kunstverein. Nur Rainer Gross blieb am Ende in New York und bis heute der Kunst treu — ausgerechnet derjenige des Freundestrios, der sein Kölner Kunststudium nicht beendete.

Eigentlich war es auch Gross alleine, den Ausstellungsmacherin Petra Oelschlägel 25 Jahre nach seiner Auftaktausstellung in der damals gerade neu eröffneten Städtischen Galerie Villa Zanders im Jubiläumsjahr wieder nach Bergisch Gladbach holen wollte: mit seiner Entwicklung vom perfektionierten Fotorealismus über opulent-ironische Collagen bis zur völligen Abstraktion. Aber in der Vorbereitung wuchs die Idee, die beiden Kölner Freunde aus der künstlerischen Anfangszeit dazuzuholen.

In dem wohl größten BAP-Hit „Verdamp lang her“ taucht der damals durch die Musikerkarriere erzwungene Abschied von der Malerei noch einmal auf: „Fragst mich, wann ich zuletzt ein Bild gemalt habe/ob mir ein Lied tatsächlich jetzt genügt.“ Niedeckens Antwort: „Ob du nun laut malst oder leise; es kommt nur darauf an, dass du es tust.“ So versteht sich Niedecken bis heute: als Erzähler, der seine Geschichten malt, aufschreibt, singt. Geschichten, gespeist aus Fundstücken, die er sammelt, auswählt, reduziert, neu in Beziehung setzt. Wer seine Collagen und Assemblagen sieht, entdeckt darin viel wieder von der Art, wie Niedeckens Texte entstehen.

Auch zu entdecken in der Ausstellung wie in den BAP-Liedern: der lange Nachhall einer Kindheit im katholischen Köln. „Das ist genetisch angelegt bei Menschen, die im Rheinland aufgewachsen sind“, sagt Niedecken. Das religiös geprägte Familienleben, die Erlebnisse der dunklen Seite des Katholizismus während der Internatszeit, Faszination, ironische Brechung, Abgrenzung und Hinterfragung spiegeln sich in den Arbeiten. Aber am Ende bleibt doch etwas, für das Niedecken das Adjektiv „restkatholisch“ gefunden hat. „Ich kann das nicht nur auf den Abfall der Geschichte werfen, sondern versuche, meine Wurzeln immer wieder freizulegen. Ich kann auch nicht behaupten, dass ich ein Atheist bin. Ich weiß zwar nicht, an was ich glaube. Ich halte vieles für möglich, glaube aber an nichts, außer an den kategorischen Imperativ und meine Familie.“

Auf dem Katalog prangt ein Foto, das mittlerweile 45 Jahre alt ist. Es zeigt die drei Freunde, versammelt um wahrscheinlich ziemlich billige Rotweinflaschen. Man mag darin eine Aufbruchstimmung erkennen, die Jugendlichen gerade dann zu eigen ist, wenn sie noch gar nicht so recht wissen, wohin es überhaupt gehen soll. Blickt Niedecken mit Wehmut auf die Wege, die auch möglich gewesen wären, es aber nicht geworden sind? „Ich bin sehr glücklich und dankbar über den Verlauf meines Lebens. Ich sehne mich nicht nach der Vergangenheit.“ Was er besonders schätzt: „Ich arbeite komplett trendfrei und kann machen, was ich will.“ Vielleicht eines Tages auch wieder malen.