Weihnachten früher Wie Magdalena Schalk vor 80 Jahren Weihnachten erlebte
Leichlingen. · Die Leichlingerin ist heute 92 Jahre alt. An die Rituale an Heiligabend in ihrer Kindheit erinnert sich die Rentnerin noch sehr gut.
Leise bimmelt das Glöckchen, die Wohnzimmertür geht langsam auf, dann steht er da in voller Pracht und duftet: Bis unter die Decke reicht der Weihnachtsbaum. Obenauf thront die glänzende Spitze, auf den Zweigen schimmern brennende Kerzen. Die echten natürlich, keine elektrischen. „Dieses Glücksgefühl, das Staunen und die Ehrfurcht, das alles spüre ich heute noch, wenn ich an den Heiligen Abend meiner Kindheit denke“, sagt Magdalena Schalk.
Die 92-Jährige lebt seit 18 Jahren im Pilgerheim Weltersbach in einer eigenen Wohnung; mittlerweile alleine, vor zwei Jahren ist ihr Mann gestorben. „Ich habe ja nun schon wirklich viele Weihnachtsfeste erlebt“, sagt sie. „In friedlichen Zeiten und im Krieg. Als Kind, als Mutter und Großmutter und als Uroma. Und ich kann aus tiefer Überzeugung sagen: Bis heute war jedes Weihnachtsfest schön.“
Zahlreiche Details fallen ihr ein, wenn sie an das Weihnachten ihrer Kindheit in Wuppertal zurückdenkt. Mutter, Vater, der kleine Bruder und die Oma – so hat die Familie gefeiert. „Die Baumauswahl hat mein Vater regelrecht zur Wissenschaft erhoben“, erzählt sie. „Denn war der Baum erst einmal ausgesucht, dann hat er mit einem winzigen Bohrer Löcher in den Stamm gebohrt, und zwar dort, wo Zweiglein fehlten. In diese Löcher hat er dann Ersatzzweige gesteckt, damit der Baum gleichmäßig aussah.“
Bis mittags musste der Vater an Heiligabend arbeiten. Während dieser Zeit hat die Mutter geputzt und poliert, bis die ganze Stube glänzte. Nach dem Mittagessen schließlich war das Wohnzimmer für die Kinder tabu. Denn dann hat der Vater den Baum geschmückt. Ganz ordentlich, Faden für Faden, legte er das Lametta über die Zweige und steckte Kerze für Kerze in die Halterungen. „Immer wieder haben mein Bruder und ich am Schlüsselloch gelauert, aber sehen konnten wir nie etwas“, erinnert sich Schalk.
Schalk erinnert sich noch an die kratzigen Strümpfe ihres Bruders
Ordentlich gescheitelt und fein angezogen, die kleine Magdalena im Sonntagskleid mit geflochtenen Affenschaukeln, der Bruder in kurzer Hose mit kratzenden Wollstrümpfen, ging es dann am Abend im Gänsemarsch ins Wohnzimmer zur Bescherung. „In den Gottesdienst sind wir am Heiligabend nicht gegangen, stattdessen haben wir unsere eigene kleine Andacht gefeiert, denn wir waren fromme Leute“, erzählt sie.
Die Familie stimmte „O du fröhliche“ – natürlich mit allen drei Strophen – an, der Vater spielte Harmonium, und eines der Kinder trug die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor. Die kann die 92-Jährige heute noch auswendig. Nach einem Gebet wurde jeder an seinen Platz am Tisch gesetzt. „Auf dem lagen die Geschenke, bedeckt mit einem großen, weißen Tischtuch.“ Immer gab es selbst genähte Kleider, Strümpfe und Wäsche, aber auch mal einen Baukasten mit echten Steinen, eine Blecheisenbahn zum Aufziehen und einmal sogar ein Stativ für den Fotoapparat und einen Chemiekasten.
An ein Festessen kann sich die 92-Jährige nicht erinnern. Was ihr aber noch in Erinnerung ist, sind die Kriegsjahre: „Meine Eltern haben Weihnachten nie ausfallen lassen. Allerdings mussten wir wegen der Bombenangriffe im Dunkeln feiern, sonst hätten uns die Lichter verraten.“ Als ernste Zeit hat sie diese Jahre in Erinnerung, „aber nicht trostlos“.