Meinung 20 Milliarden Überschuss: Deutschland im Glück

Die meisten anderen Nationen dürften Deutschland beneiden. Zumindest, was die Finanzen angeht. Sage und schreibe 19,4 Milliarden Euro haben Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen vergangenes Jahr mehr eingenommen als ausgegeben.

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Ein Rekordüberschuss dank Rekordbeschäftigung und guter Konjunktur. Kann der deutsche Staat nun aus dem Vollen schöpfen? In gewissem Maße schon, aber längst nicht so, wie es das gigantische Kassenplus verheißt.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich bei dem Geldregen zum Teil um einmalige Einnahmen handelt, die so nicht wiederkehren werden. Zur Wahrheit gehört auch, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble einen dicken Batzen der Mehreinnahmen reserviert hat. Zur Integration von Asylsuchenden sind rund sieben Milliarden Euro als Rücklage veranschlagt.

Das ist auch mehr als vernünftig, soll die Eingliederung in die deutsche Gesellschaft gelingen. Der Finanzbedarf an dieser Stelle könnte weiter steigen. Denn noch ist nicht absehbar, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr nach Deutschland kommen. Wenigstens muss dafür nicht an anderer Stelle gespart werden. Denn das zöge eine Diskussion nach sich, die den Petrys und Pegidas dieser Welt in die Hände spielen würde.

Darüber hinaus sollte man nicht außer Acht lassen, dass die gute Wirtschaftslage keine Ewigkeitsgarantie besitzt. In China etwa schwächelt das Wachstum, was zwangsläufig Folgen für eine Exportnation wie Deutschland haben muss. Nicht zuletzt deshalb beurteilen deutsche Firmenchefs die Lage ausweislich der neuesten Ifo-Zahlen so pessimistisch wie seit einem Jahr nicht mehr. Auch das niedrige Zinsniveau, seit langem ein echter Sparposten in öffentlichen Haushalten, muss nicht so bleiben.

Trotz solcher Risiken gibt es keinen Anlass zur Schwarzmalerei. Denn auch nach Abzug aller Einmalposten und möglichen Unwägbarkeiten bleiben finanzielle Spielräume, über dessen Ausgestaltung es sich nachzudenken lohnt: Zeitgleich mit dem Bekanntwerden des Rekordüberschusses ist der neue Armutsbericht erschienen. Das größte Armutsrisiko tragen demnach Menschen mit niedrigem Bildungs- und Qualifizierungsniveau. Vielfach handelt es sich um Langzeitarbeitslose. Seit Jahren liegt ihre Zahl unverändert bei etwa einer Million. Trotzdem wurden die Programme zu ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt stark zusammengestrichen. Warum eigentlich? Sage niemand, dafür sei kein Geld da.