Meinung Feuerpause ohne Feuerpause
Wer im syrischen Bürgerkrieg ein Terrorist ist und wer zur angeblich gemäßigten Opposition gehört, das entscheidet immer noch . . . ja, wer denn eigentlich? So genau lässt sich das nämlich nicht unterscheiden, zumal eine Definition zuallererst dem politischen Opportunismus geschuldet und daher ziemlich flüchtig ist.
Konkret: Wer dem Westen von Nutzen sein kann, ist einer von den Guten, vulgo Freiheitskämpfer, Oppositioneller oder Dissident. Alle anderen folglich Islamisten, Dschihadisten, Terrorknechte.
Bundesaußenminister Steinmeier beispielsweise hält die zweitgrößte syrische Miliz Ahrar al-Sham für gemäßigt und sähe sie gern am Verhandlungstisch — sollten die Friedensgespräche in Genf wie angekündigt Ende des Monats weitergehen. In Stuttgart und Düsseldorf laufen aber gerade Prozesse gegen mutmaßliche Helfer der Truppe — wegen Unterstützung einer ausländischen Terrororganisation. In ihren Methoden und Zielen unterscheidet Ahrar al-Sham sich kaum von Al Kaida. Sie kämpft mitnichten für einen demokratisches, sondern für ein islamistisches Syrien.
Schlechte Voraussetzungen für die Waffenruhe, die nach amerikanisch-russischer Vereinbarung in der Nacht zu Samstag in Kraft treten soll. Sowohl Russland als auch die USA haben angekündigt, weiterhin Angriffe auf Terroristen (hier: IS und Al Nusra) zu fliegen. Syriens Präsident Baschar al-Assad will ebenfalls nicht auf Angriffe auf Terroristen verzichten. Wer das sein soll? Gewiss sämtliche Milizen, die gegen sein Regime kämpfen.
Was die türkische Regierung von der Vereinbarung hält, teilte sie gestern mit: Sie werde auch weiterhin Stellungen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien beschießen — als Vergeltung für den Terroranschlag in Ankara mit 28 Toten. Trotz eines anderslautenden Bekennerschreibens hält die Regierung weiterhin Syrer für die Drahtzieher der Guerilla-Attacke, hinter der in Wahrheit aber ein türki- scher PKK-Ableger steckt. Terroristen — in Syrien sind das immer die Anderen.