Meinung Angstfrei im Dialog
Eine alte Angst der Religionen ist die der Vermischung. Wo die Antworten der einen Glaubensausprägung nicht genügen, so die Befürchtung, bedienen sich die Menschen an anderer Stelle und basteln sich so aus Versatzstücken ihr individuelles Religionsgebäude.
Abgesehen davon, dass daraus nicht gerade großes Vertrauen in die eigenen Überzeugungen spricht, lag religionsgeschichtlich auf der scharfen Abgrenzung gegen andere Konfessionen und Religionen selten ein Segen. Häufiger war und ist sie Basis für einen unheilbringenden Fundamentalismus.
Die Älteren kennen Geschichten von gedanklichen und tatsächlichen Schulzäunen zwischen Katholiken und Protestanten noch zur Genüge. Eine interkonfessionelle Liebe konnte Familien vor Zerreißproben stellen. Heute wären manche Religionslehrer schon froh, wenn die Schüler überhaupt noch Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Kirche benennen könnten. Trotzdem oder auch gerade deswegen ist ein gemeinsamer Religionsunterricht richtig — nicht nur als aus der Not geborene Idee wegen rückläufiger Zahlen christlicher Schüler.
Weil religiöse Erziehung in den Familien längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist, geht es in der Schule viel stärker als früher um christliches Basiswissen. Das aber ist schließlich für alle Konfessionen gleich. Und wo Unterschiede sichtbar werden, rühren sie an einer der aktuell größten Herausforderungen von Religionen überhaupt: der Sprach- und Dialogfähigkeit in Glaubensfragen.
Wenn die Kirchen ihren friedensstiftenden Anspruch erfüllen wollen, dann doch wohl auch an den Schulen. Der Friede zwischen Katholiken und Protestanten ist dabei allerdings keine wirkliche Nagelprobe mehr. Schon gibt es erste Projekte, in denen sich christliche und muslimische Schüler regelmäßig im Religionsunterricht begegnen — angstfrei im Dialog. Das ist das Beste, was Schule heute leisten kann.