Meinung Boom mit Schattenseiten
Nicht einmal die Launen des Wetters können dem florierenden Arbeitsmarkt anscheinend noch etwas anhaben. Trotz klirrender Kälte lief im Februar die Beschäftigung weiter heiß, sank die Arbeitslosigkeit auf einen neuen historischen Tiefstand.
Also alles in bester Ordnung? Nicht unbedingt. Das zeigt sich bei näherem Hinschauen.
Immerhin etwa jeder fünfte Beschäftigte arbeitet im Niedriglohnsektor und hat damit nur sehr bedingt etwas von den Früchten des Dauer-Booms. Der deutsche Mindestlohn hinkt im europäischen Vergleich weiter hinterher, die Tarifbindung geht zurück. Hinzu kommt: Der Beschäftigungsaufbau ist deutlich stärker als der Abbau der Arbeitslosigkeit. So erklärt sich der Stellenzuwachs der letzten Monate und Jahre in erster Linie daraus, dass immer mehr Frauen im Berufsleben stehen und viele ältere Arbeitnehmer dort länger bleiben. Die weibliche Beschäftigungsquote liegt mit fast 75 Prozent schon in Reichweite des europäischen Spitzenreiters Schweden. Von den 55- bis 60-Jährigen sind heute fast vier Fünftel im Job. Vor zwölf Jahren waren es noch kaum zwei Drittel. Diese sehr positive Entwicklung kann schon aus demografischen Gründen nicht ewig so weitergehen. Sie wird an Grenzen stoßen. Womit sich das Problem der schon jetzt fehlenden Fachkräfte noch zusätzlich verschärft.
Bleibt die Frage, warum trotz der großen Nachfrage immer noch etwa jeder dritte Arbeitslose länger als ein Jahr ohne Beschäftigung ist. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat kürzlich eine Antwort gegeben: Weil der Job-Boom die Bundesregierung offenkundig zu einer Vernachlässigung der Langzeitarbeitslosen verleitet hat. Förderprogramme wurden stark zusammengestrichen. In den Jobcentern fehlt es an Betreuungspersonal. Dabei braucht, wer nicht einmal zu Boom-Zeiten in Lohn und Brot kommt, doch ganz besonders intensive Hilfen. Wenn es der Union in einer künftigen Bundesregierung mit ihrem Ziel der Vollbeschäftigung weiter ernst ist, dann muss sie hier endlich umsteuern.