Meinung Die Kanzlerin und ihre folgsame Partei
Die CDU wie sie leibt und lebt. Folgsam ist sie, bei aller Diskussion doch schnell zu beruhigen. Herbe Stimmenverluste für CDU/CSU bei der Bundestagswahl, kein Finanzministerium mehr, das alles ist mit dem Parteitag in Berlin Schnee von gestern.
Angela Merkel, das muss man der Vorsitzenden einfach lassen, ist auch nach 18 Jahren im Parteivorsitz noch in der Lage, die Dinge, auf die es ankommt, zu erkennen — und entsprechend zu handeln. Das ist nicht Merkels Schwäche, sondern ihre Stärke. Das ist auch der Unterschied zu den Genossen: Merkel und Martin Schulz standen nach der Bundestagswahl vor den gleichen schweren Fragen. Die SPD hat sich zerlegt. Die Kanzlerin hat hingegen die Personalfragen geräuschlos geklärt und ist dem Wunsch der Partei nach Erneuerung und Aufbruch nachgekommen. Merkel ist wieder obenauf. Nun müssen die, die für eine Nachfolge in Frage kommen, liefern: Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer.
Zwei Jahre haben sie dafür Zeit. Dann wird die Nachfolgefrage dringlich. Kramp-Karrenbauer wird der Partei Impulse für neue inhaltliche Grundsätze geben müssen. Die Unionsmitglieder wollen wissen, wofür ihre CDU nach der Merkel-Ära stehen soll. Jens Spahn muss zeigen, dass er regierungsfähig und integrativ ist. Und im Hintergrund lauert vielleicht noch Julia Klöckner. Die eigentliche Botschaft des CDU-Parteitages ist aber die: Die Union ist derzeit die einzige Partei in Deutschland, die tatsächlich regieren will und dazu auch personell in der Lage ist. Der innerparteiliche Streit um Ressorts und Erneuerung ist vorerst abgeräumt, der Koalitionsvertrag wurde gestern mit breiter Mehrheit abgesegnet.
Sagen die Genossen Ja zur Groko, wird das Regieren für Merkel aber nicht einfacher. Die SPD wird deutlich selbstbewusster auftreten als bisher, obwohl sie dazu nach dem Wählervotum eigentlich keine Berechtigung hat. Merkel kann zudem die Frage ihrer Nachfolge nicht einfach laufen lassen. Das könnte die Partei zerreißen. Noch wichtiger ist aber, welche Schlussfolgerungen die CDU-Spitze aus dem schlechten Wahlergebnis zieht. Sie braucht Antworten darauf, die klar über den Koalitionsvertrag hinausgehen. Die fehlen noch. Merkel hat dies in ihrer Rede „Unbehagen“ genannt, das es bei den Menschen gebe. Das „Unbehagen“ gibt es auch in der CDU, vor allem bei den Konservativen. Mit dem Parteitag ist es nur für den Moment beseitigt worden.