Bundestagswahl 2021 Warum es sich lohnt, die Wahlprogramme gründlich zu lesen

Meinung · Die Wahlprogramme sind sehr unterschiedlich. Doch die Kandidaten verpassen ihre Chance, die Unterschiede ihrer Parteien deutlich zu machen. Deswegen: Mehr Streit, bitte!

Die drei Spitzenkandidaten: Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD

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Nur noch 39 Tage verbleiben Angela Merkel (CDU) als Kanzlerin. Und irgendwie hat man den Eindruck, dass außer Merkel selbst niemand so richtig realisiert, dass mit dieser Ära etwas vorbei sein wird. Dass diese Bundestagswahl eine sein wird, bei der die Bürger so viel zu entscheiden haben wie lange nicht. Nur wer hat den besten Plan, um den Mega-Herausforderungen zu begegnen? Die großen Themen wie Corona, Klimawandel oder Afghanistan umstellen die Politik, doch auf den wichtigen Fingerzeig wartet man (noch) vergebens. Freilich können sich in der Politik Verhältnisse schnell ändern. Doch im Augenblick überwiegt die Enttäuschung, dass Kontroversen vermieden und politische Kontrahenten eher in Watte gepackt werden. Der allseits beklagte Schlafwagen-Wahlkampf, der sich mit Merkwürdigkeiten, Banalitäten und Kleinkram beschäftigt, kommt nicht in Schwung.

Die aktuellen Forsa-Ergebnisse von Mittwoch passen da ins Bild: Die SPD holt weiter auf, zieht an den Grünen vorbei und rückt dicht an die Union heran. Damit ist das Rennen um das Kanzleramt offener denn je. Baerbock, Laschet und Scholz hatten ihr Hoch mal mehr, mal weniger, aber sie pendeln sich immer mehr auf Augenhöhe ein. Und schauen sich dabei ruhig an, als gäbe es nichts zu erobern. Für einen Kanzler-Job ist das arg wenig. Das Marktforschungsinstitut Rheingold sieht den Wähler in einem „fatalen Machbarkeit- und Realisierungsdilemma“. Die Kölner Marktforscher konstatieren, dass der Wähler „in Koalitionen“ denkt. Er setze auf Konstanz (CDU oder Scholz) und wolle diese mit moderaten Anstrengungen (Grüne) und einem Korrektiv zum Erhalt der persönlichen Freiheiten (FDP) anreichern. Wie so ein Wahlergebnis zustande kommen soll, weiß keiner.

Es lohnt sich aber, vor dem Kreuzchenmachen die Wahlprogramme gründlich zu lesen und die politischen Angebote zu vergleichen. Die unterscheiden sich nämlich deutlicher, als viele annehmen. Das sollten die Parteien auch mutiger, leidenschaftlicher und bissiger vermitteln.  Denn der politische Streit hilft, diese Unterschiede auch klarzumachen – und das eigene Profil zu schärfen.