Meinung Darum ist die Studie zum Artensterben ein Auftrag

Meinung | Berlin · Der miserable Zustand von Flora, Fauna und Klima spiegelt wider, wie wir sind. Ein Kommentar.

Die weltweite Rate des Artensterbens sei derzeit zehn- bis hundertmal höher als im Schnitt der vergangenen 10 Millionen Jahren.

Foto: dpa/James Cook University

Simple Psychologie ist der Grund dafür, dass die meisten Menschen die dramatischen Nachrichten über das beschleunigte Artensterben schnell verdrängen werden. Man kann ja doch nichts machen. Gelesen, vergessen. Genau wie die Klimakrise ist dieses Thema zu groß für den Einzelnen. Auch, weil der Einzelne tatsächlich ja kaum Schuld an der Entwicklung trägt; es ist die Masse die sieben Milliarden Menschen.

Es ist simple Ökonomie, dass es so gekommen ist. Der Mensch mache sich die Erde untertan, also auch alles Getier und alle Pflanzen. Immer mehr, immer intensiver, immer ausgeklügelter – es gibt buchstäblich keine Region mehr, die nicht wirtschaftlich ausgebeutet wird. Und sei es als Müllkippe. Der Kostendruck zwingt zu immer größeren Mengen, also zu immer mehr Rücksichtslosigkeit. Tiere und Pflanzen gestalten ihre Umwelt nicht bewusst, jedenfalls nicht in großem Stil. Das kann nur der Mensch. Der miserable Zustand von Flora, Fauna und Klima spiegelt also wider, wie wir sind. Unsere Maßlosigkeit. Sterben, auch Aussterben, ist die Gegenwehr, die der Natur jetzt noch verbleibt.

Es ist simple Politik, das zu stoppen. Wie man alles stoppen kann, was menschengemacht ist. Noch finden es manche ja witzig, in Bütten- oder Parteitagsreden über Leute herzufallen, denen die Mopsfledermaus wichtiger ist als eine neue Autobahn. Hohoho. Fabrik oder der Feldhamster, was wollt ihr lieber? Hohoho. Wer so redet, sollte sich künftig schämen müssen. Keine Insekten heißt: Keine Vögel und keine Mopsfledermaus. Dann aber auch keine Bestäubung, keine Pflanzen, keine Nahrungsmittel, keine Medikamente. Am Ende: Keine Menschen. Das ist die Kaskade eines zusammenbrechenden Ökosystems, die uns droht. Die Menschheit, die so souverän an der Spitze der Pyramide zu stehen scheint, wird in Wahrheit nur  getragen von der Natur. Ihr Geld,  die Autos und all den Plastikschnickschnack kann sie nicht essen.

Konkrete Politik heißt, den Artenschutz nun gleichrangig neben dem Klimaschutz in den Blick zu nehmen. Mehr Naturschutz, weniger Baugenehmigungen. Und warum gibt es nicht in jeder Gemeinde, in jedem Kreis und in jedem Land Festlegungen zur Begrenzung des Flächenverbrauchs, wenn der Bund es schon nicht schafft, ihn auf unter 50 Hektar pro Tag (!) zu senken? Das wäre mal konkrete Kommunalpolitik für Naturschutz.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

Foto: nn

Keiner muss übrigens den Bericht immer präsent haben, um sich an den Ernst der Lage zu erinnern. In Deutschland reichte es, sich beim nächsten Tankstopp zu überlegen, wann man zum letzten Mal den Insektenschwamm gebraucht hat.