Meinung Debatte über Altersarmut - Weckruf für die Politik
Armut im Alter ist heute eher eine gesellschaftliche Randerscheinung. Aber das kann sich in den nächsten Jahrzehnten ändern, wenn nicht wirksam gegengesteuert wird. Diese Erkenntnis ist nicht neu.
Sie wird in einer jetzt veröffentlichen Studie der Bertelsmann-Stiftung noch einmal bestätigt. Zum Glück beteiligen sich die Forscher allerdings nicht an der weit verbreiteten Panikmache auf diesem sensiblen Feld. Das kann einer sachlichen Debatte nur gut tun.
Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr erhitzte eine vermeintliche Expertise die Gemüter, wonach ab 2030 fast jeder zweite Rentner arm sein wird. Sozialverbände, Gewerkschaften, aber auch prominente Politiker nahmen die „Erkenntnis“ willig auf, um die allgemeine Verunsicherung noch zu verstärken. Dabei fußte der Befund auf völlig unseriösen Annahmen. Die Bertelsmann-Stiftung hat das jetzt gewissermaßen noch einmal bestätigt. Wenn laut ihrer Prognose etwa jeder fünfte Neurentner zur Mitte des übernächsten Jahrzehnts nur noch schwerlich über die Runden kommt, dann kann das allerdings auch kein Ruhekissen für die Politik sein.
Was also ist zu tun? Zunächst einmal nicht unbedingt das, worauf sich manche Parteien im Bundestagswahlkampf konzentrieren, nämlich auf die sehr teure Beibehaltung oder gar noch teurere Anhebung des Rentenniveaus. Wer immer wenig verdient hat, oder länger arbeitslos war, dem nützen solche Maßnahmen praktisch kaum. Dafür profitieren Rentner mit ohnehin schon gutem Auskommen umso stärker. Das ist weder gerecht noch im Sinne der Armutsbekämpfung.
Stattdessen muss sich Rentenpolitik auf die wirklich gefährdeten Bevölkerungsgruppen konzentrieren. Auf kleine Selbständige zum Beispiel, die bislang nirgendwo fürs Alter versichert sind. Oder auf allein stehende Frauen mit niedrigen Löhnen. Ein nachdenkenswerter Ansatz ist hier die schon unter der früheren CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen entwickelte, aber nicht umgesetzte Lebensleistungsrente. Bei der SPD heißt sie Solidarrente. Ihre Grundanliegen sind identisch: Wer lange gearbeitet hat, der muss am Ende spürbar über der Grundsicherung im Alter, also Hartz IV, liegen. Sonst verliert auch das gesetzliche Rentensystem seine Legitimation.
Noch eine weitere Nachricht sorgte am Montag für Aufmerksamkeit: Demnach fuhr die Rentenkasse 2016 ein Minus von 2,2 Milliarden Euro ein. Das ist für sich genommen noch kein Problem. Denn die Rentenversicherung verfügt derzeit über Rücklagen von mehr als 30 Milliarden Euro. Aber der Trend ist klar: In einer alternden Gesellschaft werden sich die Rentenausgaben zwangläufig weiter erhöhen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Geld der Beitragszahler schließt daher auch maßgeschneiderte Lösungen für bestimmte Risikogruppen im Alter ein. Auf diese Aufgabe muss sich eine neue Bundesregierung viel stärker konzentrieren als die alte.