Meinung Der Suizid des syrischen Terrorverdächtigen - Fahrlässig und fatal
Ob der Terrorverdächtige Dschaber Al-B. überhaupt ausgepackt hätte, sei einmal dahingestellt. Aber das ist nicht der springende Punkt: Die Möglichkeit zählt - und die gab es gewiss. Von dem mutmaßlichen IS-Anhänger hätten die Sicherheitsbehörden im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens wichtige Hinweise zu Hintermännern, Tatplanung, vielleicht zu einem bestehenden islamistischen Terror-Netzwerk in Deutschland bekommen können.
Das allein hätte die sächsische Justiz auf Trab halten müssen, um auf den 22-Jährigen entsprechend zu achten.
Stattdessen wurde fahrlässig gehandelt und die Bedeutung des Verdächtigen massiv unterschätzt. Wie die Anfänger haben sie sich in Leipzig verhalten. Diese Fahrlässigkeit der Justiz kann fatale Folgen für die Abwehr weiterer Attentate haben. Und eines muss doch auch dem letzten sächsischen Beamten klar gewesen sein: Ein potentieller Selbstmordattentäter, wie der Syrer es gewesen sein soll, der keine Selbstmordgedanken hegt, den gibt es nicht. Ein Verdächtiger, der Nahrung verweigert, in seiner Zelle eine Deckenlampe zerstört, dessen Anwalt auf die psychische Labilität hinweist, ist ein Suizidkandidat. Was denn sonst.
Man muss außerdem kein Experte sein, um zu wissen, dass islamistische Terroristen es darauf anlegen, ihre Kenntnisse mit ins Grab zu nehmen. Das gehört zur Taktik des sogenannten Islamischen Staates dazu. Also wäre viel mehr Wachsamkeit notwendig gewesen. Deswegen klingen die Einschätzungen, die die Verantwortlichen am Donnerstag gegeben haben, auch so lachhaft. Man sei wohl "zu gutgläubig gewesen", man habe aber "in der Summe" das, "was üblich ist" beachtet, hieß es. Was üblich ist, reicht halt manchmal nicht. Aber das haben die sächsische Politik und Teil der dortigen Behörden offenbar noch nicht begriffen.
Im Freistaat gilt schon lange das fatale Prinzip: Wir tun nicht mehr als nötig. Beim Kampf gegen Rechts nicht, beim Schutz von Flüchtlingen und ihren Unterkünften nicht, und auch am Tag der Deutschen Einheit nicht, als man es zuließ, dass ein paar Hundert aggressive Pöbler Gäste aus dem In-und Ausland bedrängten. Nichts sehen, nichts hören, wenig machen. Stattdessen wird Unangenehmes schöngeredet. Das wiederum hat in Sachsen jene bestärkt, die dem Staat und seinen demokratisch gewählten Repräsentanten feindlich gegenüberstehen.
Wer die Probleme nicht entschlossen und klar angeht, muss sich darüber nicht wundern. Zweifellos gibt es auch in anderen Bundesländern rechte Tendenzen und Übergriffe auf Flüchtlingsheime. Zweifellos ist auch woanders die AfD stark. Aber noch nie hat es ein Bundesland geschafft, dass man in so kurzer Zeit so oft fassungslos den Kopf über die dortigen Verantwortlichen schütteln musste. Armes Sachsen.