Meinung Plaketten helfen gar nichts

Der bisherige Jahresverlauf, schreibt Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann, jetzt Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, sei „sehr erfreulich“. Anlass seines Entzückens ist aber nicht, dass die Landesverkehrsminister gestern daran gescheitert sind, eine „blaue Plakette“ gegen Diesel-Stinker einzuführen.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Nein, Wissmann findet sehr erfreulich, dass der deutsche Pkw-Markt im September „nahezu zweistellig“ zugelegt hat: Plus neun Prozent bei den Neuzulassungen! 2016 wird der Branche mit 3,3 Millionen Neuwagen den höchsten Pkw-Absatz seit sieben Jahren bescheren. Im September lag der Diesel-Anteil an den Neuzulassungen bei 44,6 Prozent. Elektrofahrzeuge: 0,6 Prozent, Hybrid: 1,6 Prozent. So viel zur deutschen Wirklichkeit, die sich nicht so einfach mit blauen Plaketten abkleben lässt.

Insofern: Gute Entscheidung, auf eine weitere sinnlose Symbolpolitik zu verzichten — vor allem, wenn es wieder einmal vor allem die Verbraucher treffen würde, während kommunale Dienste und Industrie zu Lande, zu Wasser und in der Luft weiter mit Maschinen unterwegs sind, für die es nicht einmal eine schwarze Plakette geben dürfte. Richtig ist aber auch: An Wissmanns guter Laune kann man vor allem ablesen, dass die Politik den Jungs von der Motorenbranche auf allen Ebenen viel zu wenig Druck macht.

So gefiel sich NRW-Verkehrsminister Mike Groschek (SPD) gestern darin, einerseits pseudo-selbstkritisch zu beklagen, Politik und Wirtschaft hätten Deutschland zum größten Turbodiesel-Fanclub der Welt gemacht, andererseits dürfe man Käufer und Unternehmen auch nicht pauschal zu Sündenböcken machen undsoweiterundsofort.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) mahnte gestern zur Eile und zu kurzfristigen Lösungen. Die EU geht gegen zwölf Städte in NRW vor, Düsseldorf hat ein Gerichts-Ultimatum vor der Brust. Es wird Zeit, auf die gute Laune von Matthias Wissmann keine Rücksicht mehr zu nehmen.