Meinung Rentenpolitik gegen die Mitte
Die SPD muss sich mal entscheiden, was sie sein will: Bloß noch Partei der Geringverdiener und Kleinrentner, gar der "Abgehängten"? Das ist durchaus ein Ziel, freilich ist die Linke in Sachen staatlicher Alimentierung immer radikaler als die Sozialdemokraten.
Oder soll die SPD doch Partei der Arbeitnehmer sein, darunter auch der mit normalem Verdienst bis hin zum Facharbeiter oder Lehrer?
Das sei kein Gegensatz, wird es heißen. Doch. So wie Sozialministerin Andrea Nahles oder zum Beispiel Verdi-Chef Frank Bsirske, ein Grüner, reden, ist es das. Bsirske fand schon vor zwölf Jahren, als es um die Reformagenda 2010 ging, dass 25 Prozent Rentenversicherungsbeitrag kein Problem seien. Und findet das wie viele Gewerkschafter immer noch. Der Mann hat gut reden, er verdient weit oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze.
Andrea Nahles, die das große, weit in die Zukunft reichende Rentenkonzept vorbereiten soll, hat gerade ebenfalls verkündet, dass es mittelfristig bei der geltenden gesetzlichen Obergrenze von 22 Prozent - elf Prozent davon für die Arbeitnehmer - nicht bleiben werde. Sie gibt das Ziel schon auf, bevor sie es verteidigt hat. Bevor sie über andere Wege und Kombinationen nachgedacht hat. Beitragssteigerungen sind ja auch die leichteste Möglichkeit.
Wissen diese Politiker eigentlich, was elf Prozent heißt, zum Beispiel für Familien in der heißen Phase des Lebens, wenn alles noch abbezahlt werden muss und die Kinder noch da sind? Dazu kommt ja noch der Krankenkassenbeitrag, und auch der steigt, und zwar auf Arbeitnehmerseite stärker als auf der der Arbeitgeber. Schon jetzt betragen die Sozialabgaben insgesamt über 20 Prozent für die Beschäftigten. Und dann kommt die Steuer.
Die Kalte Progression frisst Lohnzuwächse auf. Der Spitzensteuersatz beginnt schon bei 53.600 Euro Jahreseinkommen. Die SPD hat genau wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Steuerreform zur Entlastung der mittleren Einkommen seit Jahren verweigert. Die Mitte hat das Gefühl, dass es nicht vorangeht. Und sie hat verdammt Recht.
Es ist wahr, das langsam sinkende Rentenniveau kann ein Problem werden. Es liegt an der Alterung und an unsteten Arbeitsbiografien. Allerdings wird das Armutsrisiko überzeichnet, werden Betriebs- und Riesterrenten ausgeklammert. Aber warum muss allein die Rentenkasse dieses gesellschaftliche Problem lösen? Warum soll das Geld dafür statt vom Faktor Arbeit nicht auch in Form von Steuern oder einer Bürgerversicherung aus Zinsen, Dividenden, Mieten, Vermögen, Erbschaften kommen, also von der Oberschicht?
Die SPD traut sich an die oben nicht richtig ran, will aber unten den großzügigen Samariter spielen. Und wird so zur Partei, die die arbeitende Mitte und die aktive Generation im Stich lässt. Das wird sich rächen. Steigt der Rentenbeitrag über 22 Prozent sinkt das SPD-Wahlergebnis darunter.