Die Grünen und der Systemwechsel
Ihr Bekenntnis zum Systemwechsel, wie sie es in der Gesundheitspolitik abgegeben hat, hat Gewicht.
Wenn einst Grüne einen Systemwechsel forderten, nahm man das zur Kenntnis - aber selten ernst. Heute, da sich die Organisation auf dem Weg zur Volkspartei und zum Erobern politischer Spitzenämter wähnt, sieht das anders aus. Ihr Bekenntnis zum Systemwechsel, wie sie es in der Gesundheitspolitik abgegeben hat, hat Gewicht.
Dass die Grünen - anders als die SPD - ihre Pläne zur Bürgerversicherung stark konkretisieren, lässt vermuten, dass bei ihnen das Konzept weit gereift ist. Allerdings scheint ein Teil der Grünen die Gefahr auszublenden, mit solchen Vorschlägen rasch die neu gewonnene Wählergunst wieder verlieren zu können.
Die vielen Freiberufler, Selbstständigen und qualifizierten Angestellten und Beamten, die sich bislang von den Grünen gut vertreten fühlen, ticken möglicherweise anders als die Fundamentalisten in der Partei. Sie könnten eine Verhinderung der Münchner Olympia-Bewerbung genauso übel nehmen wie für sie negative Veränderungen bei ihrer Krankenversicherung.
Dennoch scheinen die Grünen entschlossen, die Bürgerversicherung durchzudrücken. Sie haben dafür das wirklich starke Argument, dass es für das Problem der ständig steigenden Gesundheitskosten derzeit keine überzeugende Lösung gibt. Ihre Idee: Alle Bevölkerungsgruppen, auch Besserverdiener und Beamte, müssen in eine Einheitsversicherung, und die Beitragsbemessungsgrenze steigt drastisch von 3750 auf 5500 Euro.
Allein Letzteres würde bedeuten, dass rund acht Millionen Versicherte mehr als bisher bezahlen müssen. Das wären nicht nur Spitzenverdiener, weil ja alle Zins- oder Mieteinnahmen zur Berechnung der Beiträge herangezogen würden. Die Nachteile sind rasch auf den Punkt gebracht: Viel Verärgerung, neuer bürokratischer Aufwand und ein Mehr an Staat in unserer Gesellschaft.
Tödlich wäre die Bürgerversicherung für die rund 50 privaten Krankenversicherungen in Deutschland. Zwar würden voraussichtlich die dort Versicherten nicht zwangsweise in die Bürgerversicherung überführt. Doch neue Mitglieder kämen nicht mehr dazu. Das hätte nicht nur das absehbare Ende dieser Geschäftssparte zur Folge, sondern wegen der Überalterung der Klientel auch exorbitante Beiträge für die Restmitglieder.