Die kommunale Familie ist ein Trugbild

Streit um den Kommunalsoli — eine Klage mit gutem Grund

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Foto: Young David (DY)

Kurz vor Kommunalwahlen tun die Kandidaten gut daran, den eigenen Bürgern zu signalisieren: Wir kämpfen gegen den Kommunalsoli und für euer Geld. Wir machen uns dafür stark, dass wir den Nachbarstädten nichts überweisen müssen. Denn klar ist: Der Düsseldorfer Oberbürgermeister muss sich in Essen so wenig Freunde machen wie der Monheimer Stadtchef in Solingen oder Moers. Die dortigen Bürger können ihn ohnehin nicht wählen. Das Versprechen, das Geld für die eigenen potenziellen Wähler zusammenzuhalten, ist da zielführender.

Man mag das eine Missachtung des vom Landesinnenminister beschworenen Gedankens der „Solidarität der kommunalen Familie“ nennen. Aber gibt es sie überhaupt — die kommunale Familie? Die Realität ist eine ganz andere: Da versucht die eine Stadt, mit möglichst niedriger Gewerbesteuer Unternehmen anzulocken. Auf Kosten des Nachbarn. Dieser wiederum zieht mit dem Handelsriesen auf der grünen Wiese Kaufkraft aus den Nachbarkommunen ab. Oder lockt Eltern mit gebührenfreien Kitaplätzen. Gewiss, es gibt städtische Kooperationen. Aber letztlich stehen Städte miteinander im Wettbewerb.

Doch nicht nur diese Realität, auch das Verfassungsrecht spricht gegen den Kommunalsoli: Für den einst von Kanzler Schröder als „Professor aus Heidelberg“ verspotteten Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof steht die kommunale Selbstverwaltung auf dem Spiel. Nachvollziehbar und ganz und gar nicht professoral fragt er: Warum bedarf es eigentlich noch eines Stadtrats, der über Hebesätze bei den Kommunalsteuern entscheidet, wenn das so erzielte Geld auf Weisung von oben anschließend wieder umverteilt wird?

Wie macht man den Bürgern klar, dass ihre Stadt Schulden aufnehmen muss, um andere zu subventionieren? Dass sie eigene Projekte nicht verwirklichen kann, weil schlecht wirtschaftende Nachbarn Geld brauchen? Die Städte, die ordentlich geplant haben, werden eben dafür bestraft. Städte werden nicht zuletzt aufgrund von Entscheidungen auf höherer Ebene (Stichwort Sozialtransfers) in die Pflicht genommen. Dann muss auch von dort das Geld zur Behebung der Not kommen — also vom Bund oder vom Land.