Meinung Die stillose Art des Sigmar Gabriel

Einer, der von sich zu wissen glaubt, dass er nicht als Kanzlerkandidat taugt, sollte gar nicht erst Vorsitzender einer großen Volkspartei werden.

Das war stillos von Sigmar Gabriel, und wenn die SPD nicht mehr Geschlossenheit demonstrieren muss, um nicht gleich die erste Wahlkampfphase zu versauen, wird er es auf die eine oder andere Art zu spüren bekommen. Es ist stillos, alle zum Schweigen bis zum 29. Januar zu verdonnern, aber vorher schon einigen Medien sämtliche Entscheidungen mitzuteilen. Erst die eigene Reputation, dann die der Partei. Es ist stillos, sich ein zweites Mal als Parteivorsitzender zu verdrücken, wenn der Wahlkampf gegen Angela Merkel naht.

Einer, der von sich zu wissen glaubt, dass er nicht als Kanzlerkandidat taugt, sollte gar nicht erst Vorsitzender einer großen Volkspartei werden. Und es ist ebenso stillos, sich jetzt schnell noch den Job des Außenministers zu sichern. Übrigens: Das bisher von Gabriel als so zentral bezeichnete Wirtschaftsministerium nun mal eben an eine Politikerin zu vergeben, die ihre politische Zukunft erkennbar hinter sich hat, ist auch nicht die stilvollste Lösung.

Die Tragik des Sigmar Gabriel lag und liegt darin, dass er wirklich glaubt, nur er wisse und fühle, was die SPD brauche, weil nur er wisse und fühle, was das Volk brauche. Selbst seinen Rückzug verkauft er noch als Akt der Selbstaufgabe. Sigmar Gabriel hat aber in Wirklichkeit nur drei Freunde und Ratgeber: Me, myself and I. Ich, Ich und nochmal Ich. Diese Ära ist nun vorbei, eine neue beginnt. Martin Schulz ist ein anderes Kaliber, auch für Angela Merkel. Er ist weit stärker von der Sache und weit geringer von sich selbst getrieben.

Er ist für seine Partei und seine Anhänger viel mehr, aber für die Gegenseite viel weniger kalkulierbar. Mit ihm werden die Karten in Berlin, wo so viele seit so vielen Jahren politisch ineinander verhakt sind, im wahrsten Sinne des Wortes neu gemischt. Aber Schulz muss sich in seiner Partei erst noch durchsetzen, überhaupt in der Bundespolitik, und darin liegt das große Risiko dieser Nominierung. Innenpolitisch ist er ein unbeschriebenes Blatt; die Deutschen kennen ihn nur als Europapolitiker. Wie nehmen sie ihn auf, wenn er zum ersten Mal über Steuern oder Renten redet? Woher soll er als Parteichef Autorität und Macht nehmen?

Die Funktionäre kennen ihn nur als Europaredner auf Parteitagen, bei denen die meisten abschalteten. Und wie kommt er mit den deutschen Medien zurecht? Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagt man. Diesem nicht, wieder mal nicht. Die SPD schafft es, noch jede Kanzlerkandidatenkür zu verbocken, und wenn es fünf Tage vorher ist, wie jetzt. Es gibt allerdings einen Trost: Es sind noch genau neun Monate, um den Fehlstart wieder wett zu machen. Manche kriegen in der Zeit ein Kind.