Meinung Noch kein Totalschaden

Wenn man dem völlig überflüssigen Achtelfinal-Aus der deutschen Handballer bei der Weltmeisterschaft in Frankreich etwas Gutes abgewinnen will, dann gibt es dafür Chancen: Nach einer Zeit, in der Dagur Sigurdsson als einziger Heilsbringer galt, besteht jetzt für den vermutlichen Nachfolger Christian Prokop die gute Chance, in den großen Schuhen seines Vorgängers eben nicht heftig ins Stolpern zu geraten.

Foto: Sergej Lepke

Deutschland ist im WM-Achtelfinale nicht wegen Sigurdsson ausgeschieden, aber der Trainer hatte seinen Anteil an dieser unerwarteten Pleite gegen das zusammengekaufte Ensemble des Emirats: Der Isländer verzichtete auf eine taktische Auszeit vor den letzten Spielsekunden, setzte zu lange auf indisponierte Spieler und sortierte auch die Abwehr nicht neu, als sie es gebraucht hätte. Kurzum: Einem bröckelnden Team, das in der Vorrunde so viel versprach, gab der Trainer keinen Halt mehr. Es waren seine letzten (Nicht-) Handlungen: Sigurdsson wird jetzt Japans Nationaltrainer.

Kann sich der DHB mit dem Erstligisten SC DHfK Leipzig endlich darauf einigen, Prokop als Nachfolger zu installieren, wird der hoffnungsvolle junge Trainer eine funktionierende und jungeAuswahl auf die nächste Stufe heben können. Diese Mannschaft kann eine Ära prägen. Der Ausfall in Frankreich war ein Betriebsunfall, aber kein Totalschaden.

Den hatte es vor dem Turnier gegeben — und das ist die zweite Baustelle des deutschen Handballs: So rührig das Engagement des Sponsors anmutete, die WM im Notmodus im Internet zu übertragen, so dünn blieb der Effekt: Die Quoten lagen weit entfernt von den Werten, die die Öffentlich-Rechtlichen noch bei der EM 2016 verzeichneten. Handball war seinerzeit in aller Munde. Jetzt braucht es erneut professionelle Aufbauarbeit. Und Lobbyisten, die den TV-Gau beim nächsten Mal verhindern. Denn das Publikum für diesen Sport ist da. Zu dumm wäre es, aus diesem Fakt selbst verschuldet keinen Vorteil zu ziehen.