Kommentar Die Wandlung der Sinn Fein in Irland

Meinung | Düsseldorf · Wie lange und wie schwer trägt eine Partei an ihrer Geschichte? Diese Frage stellt sich nicht nur in Deutschland bei der Linken, der insbesondere CDU und FDP auch 30 Jahre nach der Wende noch ihre DDR- und SED-Vergangenheit vorhalten.

Mary Lou McDonald (2.v.l), Vorsitzende der linksgerichteten Partei Sinn Fein, und Chris Andrews (2.v.r), Mitglied der Partei Sinn Fein, zeigen während der Auszählung der Stimmen der Parlamentswahl den Daumen nach oben.

Foto: dpa/Niall Carson

Die Frage stellt sich ganz aktuell auch in Irland, wo Sinn Fein zur eigenen Überraschung zu einem gleichgewichtigen Akteur neben den beiden etablierten bürgerlichen Kräften aufgestiegen ist.

Sinn Fein ist für viele noch immer untrennbar mit dem Terror der nordirischen IRA verbunden. Im In- und Ausland galt die Partei über Jahrzehnte als deren politischer Arm. Erst 2018 ist mit Gerry Adams ihr Vorsitzender abgetreten, der die Geschicke von Sinn Fein mehr als 30 Jahre geprägt hatte.

Ekkehard Rüger

Foto: ja/Sergej Lepke

Nun hat es seine Nachfolgerin Mary Lou McDonald binnen nur zwei Jahren geschafft, Sinn Fein in der Wählergunst auf Augenhöhe mit der liberal-konservativen Regierungspartei Fine Gael und der links-liberalen Oppositionspartei Fianna Fail zu katapultieren. McDonald gelang es, der jungen Generation innerhalb und außerhalb der Partei neue Themen zu bieten und die alten Wunden von Bürgerkrieg und Terror in den Hintergrund zu drängen. Aber um aus diesem Erfolg auch Regierungsverantwortung entwickeln zu können, muss sie zudem die politischen Kontrahenten von der Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit des Wandels von Sinn Fein überzeugen. Das wird ihre noch weitaus schwierigere Herausforderung.

Zumal der Erfolg der einzigen Partei, die in beiden Teilen Irlands aktiv ist, auch London ein Dorn im Auge ist. Mit einem wachsenden Einfluss der Sinn Fein in der Republik Irland käme auch die Vereinigung mit Nordirland wieder auf die Tagesordnung. Großbritanniens Premier Boris Johnson hat aber genug mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten zu tun. An zusätzlichen Problemen auf der irischen Insel hat er nicht das geringste Interesse.