Ein bayerischer Scheinriese
Manchmal kann man sich über das, was Alexander Dobrindt den lieben langen Tag hinausposaunt, köstlich amüsieren. Zum Beispiel über seinen Satz, die 20-Prozent-Partei SPD könne nicht 100 Prozent ihrer Ziele umsetzen.
Das sagt einer, dessen CSU umgerechnet auf den Bund sechs Prozent geholt hat. Selten so gelacht.
Oder Dobrindts bedeutungsschwerer Ruf nach einer neuen „konservativen Bürgerlichkeit“, nach einer „Revolution“ gegen die linken Eliten. Da knallen sie bei den anderen Parteien gleich vor Schreck die Hacken zusammen. Ob der Landesgruppenchef in Kohl’scher Tradition nun aber seine ureigene geistig-moralische Wende verkündet, oder in Berlin brennt eine Currywurst an, ist einerlei. Und viel Spaß bei den Sondierungen mit der (hoffentlich doch noch etwas linken) SPD, kann man da nur wünschen.
Das alles ist selbstverständlich viel Folklore für die bajuwarische Klientel. Sozusagen wie immer zum Jahresanfang, wenn die Christsozialen in meist verschneiten Gefilden in Klausur gehen. Aber etwas mehr Demut stünde der CSU gut zu Gesicht. Denn in Wahrheit ist sie im Moment nur noch ein bajuwarischer Scheinriese.
Gewiss: Personell ist die Wende eingeleitet hin zu Markus Söder als neuem Ministerpräsidenten. Aber inhaltlich? Da ist die CSU längst zu einer Ein-Thema-Partei verkommen rund um Migration, Flüchtlinge und Asyl. Getrieben von der Angst vor der AfD. Danach findet sich lange nichts mehr im christsozialen Portfolio. Früher gab es wenigstens noch die Maut und das Betreuungsgeld, auch wenn beides Unsinn gewesen ist. Heute weiß man nicht, woraus die Christsozialen eigentlich immer noch ihren so lautstark vorgetragenen bundespolitischen Anspruch ableiten. Nicht einmal Angela Merkel braucht sie, um Kanzlerin zu bleiben. Kraftmeierei reicht eben nicht aus, um im Bund wichtig zu sein — und in Bayern eine Landtagswahl zu gewinnen. Da muss endlich wieder mehr kommen von der CSU.