Ein Prozess, aus dem Lehren zu ziehen sind
Die Urteile im "Sauerland-Verfahren" sind gesprochen.
Die Urteile im Prozess gegen die vier Islamisten der sogenannten Sauerland-Gruppe sind gesprochen, die verhängten Strafen hart, aber gerecht. Die meisten Verteidiger kündigten bereits an, auf eine Revision verzichten zu wollen. Dennoch ist damit der bislang größte deutsche Prozess gegen islamistische Terroristen nicht endgültig abgeschlossen.
Im Gegenteil: Das sogenannte Sauerland-Verfahren wird - und muss - uns noch eine längere Zeit beschäftigen. Viel zu wichtig und bedeutend sind nämlich die Erkenntnisse über die Abläufe und Zusammenhänge des islamistischen Terrorismus, die das Gericht und die Ermittlungsbehörden während des Prozesses gewinnen konnten, auch durch die umfangreichen Geständnisse der vier Angeklagten. Ihre Aussagen ermöglichten tiefe Einblicke in die Radikalisierung junger Menschen - auch solcher, die in unserem westlichen Kulturkreis aufwachsen.
Wodurch entwickelt der gewaltbereite Islamismus eine solch verheerende Anziehungskraft auf diese Menschen? Wodurch werden sie so verführbar für radikale Ideen, für Gewaltideen, die scheinbar einfache, aber dafür blutige und tödliche Antworten geben? Wie groß ist der Einfluss von Hasspredigern, die "zunehmend auch in unserem Land - unter Missbrauch der Freiheitsrechte unserer Verfassung"- ihr "Unwesen treiben", wie es der Vorsitzende Richter Otmar Breidling formulierte?
Eine Antwort auf diese Fragen bleibt Breidling notgedrungen schuldig: Weder die Justiz im Allgemeinen noch ein Staatschutzsenat im Besonderen seien dazu berufen, Antworten und Auskunft zu geben oder gar Lösungen zu formulieren "für diese drängenden Fragen unserer Zeit", sagte Breidling: Strafverfahren seien allenfalls geeignet, "den Blick auf dieses Phänomen zu erweitern".
Eine deutliche Ansicht vertritt der Senat jedoch dazu, wie am besten gegen islamistische Terror-Strukturen vorgegangen werden kann: durch Wohnraum- und Gesprächsüberwachungen bei Verdächtigen. Diese Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen hätten sich inzwischen als unverzichtbar erwiesen, sagten die Richter, ebenso wie die Arbeit von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst. Dem ist nichts hinzuzufügen.