Eine echte Chance für Hartz-IV-Empfänger
Im Bundestag flogen die Fetzen. Zwar versuchte Guido Westerwelle den Vorwurf zu entkräften, er diskriminiere Arbeitslose. In der Sache blieb er aber seiner Linie treu.
Eine sichtlich erregte SPD-Abgeordnete warf ihm mit mehrmals abbrechender Stimme mittelalterliche Hexenjagd vor - und dass er Gruppen der Bevölkerung aufeinander jage. So ging die Polemik munter weiter.
Doch: Bringt uns eine solche Streitkultur weiter? Und wie hilfreich finden das die Betroffenen? Besser wäre: weniger streiten, mehr sachbezogen diskutieren und unaufgeregt nach guten Lösungen suchen.
Denn es geht um ein riesiges Problem, das unsere gesamte Gesellschaft verändern könnte, wenn wir uns ihm nicht stellen. Es ist nicht banal, wenn unzählige Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit nicht mehr zurück in ein normales Erwerbsleben finden.
Für sie ist das grausam, sie leiden nicht nur materiell, sondern es gehen auch Selbstwertgefühl und der Rest von Lebensfreude verloren. Sie brauchen solidarische Hilfe. Diese darf allerdings nicht in nach dem Gießkannenprinzip erhöhten Hartz-IV-Leistungen bestehen. So willkommen und sinnvoll das im Einzelfall sein mag: Mehr Geld für den Unterhalt löst die Probleme nicht. Aus zwei Gründen:
1. Finanziell kann sich das unsere Gemeinschaft nicht erlauben. Sie muss heute bereits 6,5Milliarden mehr für Hartz IV ausgeben als vor sechs Jahren - obwohl die Zahl der Arbeitslosen um 1,5 Millionen gesunken ist. Wer soll dieses Geld erwirtschaften, vor allem wenn sich diese Entwicklung fortsetzt?
2. Die Art der Unterstützung müssen wir ohne Scheuklappen überdenken. Denn auch wenn der Großteil der Arbeitslosen eine höhere Zahlung sinnvoll einsetzt, gibt es - wie in anderen Bevölkerungsgruppen auch - schwarze Schafe. Insofern können Sachleistungen richtig sein, etwa für Kinderkleidung oder Essen in der Schule.
Wer das vorschlägt und danach die Entscheidung gut abwägt, ist noch lange kein soziale Hetze betreibender Zyniker, sondern Realist. Noch wichtiger ist, dass unsere Gesellschaft - das gilt auch für Personalchefs - Vorurteile abbaut. Nur so bekommen Menschen, die beispielsweise älter sind, eine Behinderung haben oder schlicht eine Zeitlang beruflich aussetzten, eine echte Chance.