Meinung Hartz IV weg — und dann?

Seit Wochen schwappt eine „Hartz IV ist gescheitert“-Welle durch die Republik, deren Markenzeichen es ist, Fakten zu ignorieren. Prominente SPD-Politiker wie Arbeitsminister Hubertus Heil oder die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer beteiligen sich munter an diesem populistischen Spiel.

Foto: Sergej Lepke

Offenbar glauben sie, dass die SPD nur mit einer Abkehr von der Schröder’schen Agenda-Politik eine solidarische Gesellschaft gestalten kann. Gleichzeitig scheint vielen in der Partei der Zeitpunkt günstig, endlich das Hartz-IV-Trauma loszuwerden.

Einige Fakten: Im Jahr 2005, als Hartz an den Start ging, gab es in Deutschland fast fünf Millionen Arbeitslose. Langzeitarbeitslos (also länger als ein Jahr ohne Beschäftigung) waren damals fast 1,8 Millionen Arbeitnehmer. Ende vergangenen Jahres belief sich die Zahl der Arbeitslosen auf etwas mehr als 2,5 Millionen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen beträgt inzwischen rund 860 000. Was diese Zahlen widerspiegeln, ist eine Erfolgsgeschichte, die sehr viel mit der Agenda 2010 zu tun hat. Hartz IV ist nicht gescheitert. Wer dies dennoch behauptet, muss Alternativen aufzeigen. Das haben die Kritiker jenseits von unseriösen „Geld ist für alle reichlich da“- Behauptungen nicht getan.

Richtig: Bei Hartz IV gibt es viele Fehler im Detail. Zum Beispiel sind die Verwaltungskosten zu hoch, weil die Berechnung der Leistungen oft absurd kompliziert ist. Oder die Menschen können nicht in Arbeit vermittelt werden, weil in den Jobcentern das Geld fürs Personal fehlt. Das ändert aber nichts daran, dass der Grundsatz des Förderns und Forderns richtig ist. Zu kurz springt auch, wer eine deutliche Anhebung der Sätze fordert, dabei aber das Lohnabstandsgebot missachtet. Denn in weiten Teilen der Bevölkerung besteht mit Recht Konsens darüber, dass jene, die den ganzen Tag einer Arbeit nachgehen, mehr Geld zur Verfügung haben müssen als jene, die Hartz IV bekommen. Schon jetzt stehen Paare mit Kindern durch die Grundsicherung aber bisweilen besser da als Geringverdiener in gleicher Familienkonstellation.