Meinung Beitrag zur Versachlichung

Befürworter und Gegner des Hartz-IV-Systems können sich gleichermaßen bestätigt fühlen: Fast eine Million Sanktionen verhängten die Jobcenter im vergangenen Jahr, weil ihre Kundschaft Termine versäumte, einen Job ausschlug oder zusätzliches Einkommen verschwiegen hatte.

Foto: k r o h n f o t o . d e

„Alles faule Säcke“, werden die einen sagen, „unmenschliches System“ die anderen. Beides ist jedoch verfehlt. Vielmehr könnten die Daten zu einer Versachlichung beitragen.

Schaut man genauer hin, dann handelt es sich bei den Sanktionierten nur um einen Bruchteil der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger. Die überwältigende Mehrheit hält sich an die Regeln. So grausam wie oft dargestellt können sie also nicht sein. Die Sanktionen abzuschaffen, wie es die Linke schon immer wollte und mittlerweile offenbar auch große Teil der SPD, wäre erst recht absurd. Sicher gibt es immer wieder Grenzfälle, ob eine angebotene Arbeit zumutbar ist oder nicht. Termine beim Jobcenter wahrzunehmen aber ist für einen offiziell Arbeitssuchenden keine übermäßige Härte. Aus Versäumnissen dieser Art resultieren jedoch gut drei Viertel aller Strafen. Wirkliche Arbeitsverweigerungen kommen dagegen vergleichsweise selten vor. Und entsprechend selten wird auch aus diesem Grund die Stütze gekürzt.

Unter dem Strich hat sich das System also bewährt. Das heißt aber nicht, dass alles schon der Weisheit letzter Schluss wäre. Untersuchungen haben gezeigt, dass die grundsätzlich härteren Strafen für jüngere Langzeitarbeitslose dem Ziel der Aufnahme einer regulären Beschäftigung auch schaden können. Vor allem dann, wenn wegen der Kürzungen Wohnungslosigkeit droht. Ein Teil der Betroffenen wendet sich dann komplett vom Jobcenter ab und taucht in der Schattenwirtschaft unter. Hier muss die Sanktionspraxis korrigiert werden. Für eine Überdramatisierung der Lage besteht jedoch kein Anlass. Weder für die System- Befürworter noch für die Gegner.