Sanktionen auf dem Prüfstand Minister Heil stellt Erhöhung von Hartz IV in Aussicht

Berlin/Nürnberg (dpa) - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge in Aussicht gestellt. „Ich schaue mir das an, was wir bei den Grundsicherungssätzen tun können“, sagte Heil der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag).

Foto: dpa

Es gehe ihm darum, die Lebensperspektiven der Menschen zu verbessern. Derzeit liegt der Regelsatz für einen Alleinstehenden bei 416 Euro im Monat. Für eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft machen die Leistungen der Grundsicherung im Schnitt 954 Euro aus. Zudem wolle er prüfen, „welche Sanktionen noch sinnvoll sind“, sagte Heil.

Im Moment können Hartz-IV-Empfängern die Bezüge gekürzt werden, wenn sie etwa Termine im Jobcenter nicht wahrnehmen. Im vergangen Jahr ist die Zahl der Sanktionen um rund 13 700 auf knapp 953.000 gestiegen. Wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte, lag die Sanktionsquote - also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - jedoch unverändert bei 3,1 Prozent. „Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln. Nur ein ganz geringer Teil wird überhaupt sanktioniert“, sagte BA-Chef Detlef Scheele.

Rund drei Viertel der Sanktionen werden wegen sogenannter Meldeversäumnisse verhängt - wenn also beispielsweise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angabe eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt. 2017 mussten die Jobcenter bei 733.800 Menschen deswegen die Regelleistung um zehn Prozent absenken. Außerdem werden Hartz-IV-Empfänger sanktioniert, wenn sie etwa ein Jobangebot oder eine Fortbildung verweigern oder zusätzliches Einkommen verschweigen.

Menschen unter 25 Jahren sind von den Sanktionen stärker betroffen. Das Gesetz sieht bei Jugendlichen bereits beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine hundertprozentige Sanktion der Regelleistung vor. „Die Sanktionierung auf Null finde ich nicht vernünftig“, sagte Scheele dazu. Denn nach so harten Sanktionen brechen einige Jugendliche den Kontakt zum Jobcenter ganz ab.

Auch Arbeitsminister Heil sagte: „Ich halte es nicht für sinnvoll, dass - wie es derzeit der Fall ist - für Jüngere strengere Regeln gelten als für Ältere. Oder dass das Wohngeld gekürzt wird und die Leute auf der Straße stehen.“ Grundsätzlich seien Kürzungen aber in Ordnung, weil die Gesellschaft für Unterstützung, die sie gewähre, eine Gegenleistung erwarten könne.

Scheele regte an, die Sanktionierung bei den Kosten der Unterkunft zu streichen. Wenn Jugendliche sich innerhalb eines Jahres einen weiteren Verstoß leisten, kann ihnen auch die Miete gekürzt werden.

Der BA-Chef gibt zu bedenken, dass es aufgrund der angespannten Wohnungsmärkte in vielen Städten „ausgesprochen schwer“ sei, wieder eine Wohnung zu finden. „Drohende Wohnungslosigkeit hilft uns bei der Vermittlung und auch sonst nicht weiter“, sagte Scheele. Auch Erwachsene sind bei wiederholten Verstößen von der Kürzung der Miete betroffen.

Bereits Heils Vorgängerin Andrea Nahles (SPD) hatte Unter-25-Jährige nicht mehr strenger behandeln wollen als Ältere, war aber vor allem am Widerstand Bayerns gescheitert. CSU-Chef Horst Seehofer hatte 2014 dazu gesagt: „Wir können jetzt nicht das tragende Element des Forderns von Arbeitslosen aufweichen.“

Heil distanzierte sich zudem vom Begriff „Hartz IV“. Er sagte: „Der muss weg, ganz klar.“ Der Begriff wirke „polarisierend und vergiftend“. Er stehe inzwischen für ein bestimmtes Menschenbild, für eine Spaltung der Gesellschaft, und das halte er für problematisch.

Die Linken kritisierten die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger als unmenschlich. „Jede Sanktion ist eine Sanktion zu viel“, sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping. Die Kürzungen bedeuteten für die Betroffenen existenzielle Not und seien ein Angriff auf das Grundrecht auf Teilhabe.

Im Jahresschnitt 2017 gab es 4,36 Millionen Hartz-IV-Empfänger; im Vorjahr waren es noch 4,31 Millionen. Auch durch diesen Anstieg hat die Zahl der Sanktionen zugenommen. Da manche Hartz-IV-Empfänger mehrfach sanktioniert werden, ist die Zahl der betroffenen Menschen deutlich niedriger als die Zahl der Fälle.