Fußball-Winter-WM 2022: Ein ökonomischer Wahnsinn

Wäre der Fifa-Präsident Joseph Blatter ein Wirtschaftsboss, so wäre er spätestens am Mittwoch mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden. In der heiligen Welt des Fußballs aber laufen die Dinge anders.

Foto: Judith Michaelis

Da kann Blatter jetzt in den prall gefüllten Geldspeicher des Fußball-Weltverbandes greifen und aller Welt ob einer Weltmeisterschaft im Winter Kompensationszahlungen zugestehen, ohne persönlich haften zu müssen.

Am Ende würde er sich auch dafür rechtfertigen: Immerhin hat der Schweizer mit mehr als zweifelhaften Methoden selbst dafür Sorge getragen, dass die Konten aus allen Nähten platzen — nicht zuletzt mit der von Gier getriebenen Vergabe der WM an das reiche Katar. Klingt aberwitzig, würde aber zum Selbstverständnis des Fußball-Monarchen passen, der am 29. Mai dieses Jahres in Zürich nicht fortgejagt, sondern wiedergewählt wird.

Wer ist Gewinner dieser Entscheidung, das Turnier in den Wochen vor Weihnachten auszurichten? Einzig Gastgeber Katar, das kurzzeitig drohte, den Höhepunkt seiner unheimlichen Serie von großen Weltsport-Turnieren 2022 wie auch sein Gesicht zu verlieren. Jetzt ist das Turnier gesichert, das teure Herunterkühlen der Stadien können sie sich bei gemütlichen 25 Grad Außentemperatur auch gleich noch sparen.

Korruption bei der Vergabe an Katar war gestern, und die ausgebeuteten Arbeiter sind eine weitgehend schweigende Klasse. Alles prima. Die Folgen für den Weltsport und der daran hängenden Industrie aber zeigen das Ausmaß des ökonomischen Debakels: Die europäischen Ligen müssen ihre vernunft- und traditionsbewusst erstellten Spielpläne komplett umkrempeln, weil die Topstars im Hochbetrieb monatelang fehlen würden. Das Gleiche gilt für die Uefa und ihre europäischen Wettbewerbe. Das Blatter nahe stehende Afrika müsste auf die WM umgehend den Afrika-Cup folgen lassen. Die TV-Sender brechen zahlreich mit den Wintersport-Verbänden — und ihren Stammkunden.

Und: Der Fußball-Fan wird sich am Tag vor Heiligabend ein WM-Endspiel bei Glühwein und Keksen zu Gemüte führen. Letzteres ist das kleinste Problem. Das größere ist uns viel näher: 2018, Fußball-WM in Russland. Im Sommer zwar — aber mit allerhand Kriegsgerät.