G8 - eine völlig verkorkste Schulreform
Der Widerstand gegen das Abitur nach acht Jahren wächst
Ein Lehrstück für eine völlig verkorkste Schulreform — anders lässt sich die Verkürzung der Gymnasialzeit in Deutschland nicht beschreiben.
Nach dem Pisa-Schock brach die ansonsten nicht gerade für ihre Schnelligkeit bekannte Kultusministerkonferenz in Aktionismus aus und beeilte sich, alles besser zu machen in den Schulen.
Plötzlich stellte man fest, dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich zu alt sind, wenn sie an die Uni oder in den Beruf kommen. Die Erkenntnis war zwar zutreffend. Doch statt frei von Ideologie nach praktikablen Lösungen dieses Problems zu suchen, wurde eine Reform übers Knie gebrochen.
Die Folgen sehen wir jetzt. Quer durchs Bundesgebiet wächst der Widerstand gegen das Abitur im Schnelldurchlauf. Verwundern kann das nicht. Das 13. Schuljahr wurde gestrichen, ohne Stoff und Stundenzahl spürbar zu reduzieren.
Ein Witz, wenn man überlegt, dass bis vor wenigen Jahren nur hochbegabte Schüler das „Turbo“-Abi ablegen durften. Heute muss jeder Schüler, der sich fürs Gymnasium entscheidet, mit langen Schultagen, hohem Druck und wenig Freizeit leben. Von den Eltern wird gleichzeitig erwartet, dass sie bei der Nachbereitung des Unterrichts helfen.
Als Element, die soziale Ungleichheit im deutschen Bildungssystem zu überwinden, taugt das G8 so wahrlich nicht. Genauso wenig taugt der Einwand der Befürworter, an Gesamtschulen werde das Abitur doch weiter nach neun Jahren abgelegt. Diese Alternative gibt es längst nicht in allen Bundesländern.
Getrieben von dem Wunsch, Spitzenreiter der nächsten Bildungsstudie zu sein, verliert die Politik das Individuum immer mehr aus dem Blick. Wilhelm von Humboldt rief weiland das Ziel einer „allgemeinen Menschenbildung“ aus. Doch dieses ist längst der Jagd nach Erfolg und Spitzenleistung zum Opfer gefallen. Reife lässt sich nicht per G8 beschleunigen. Dafür braucht es auch soziale Kontakte, Zeit für Sport oder Musik.
Eine Reform der Reform wäre dennoch fatal, denn die Betroffenen brauchen Planungssicherheit. Stattdessen müssen endlich die Lehrpläne entrümpelt werden. Es wird Zeit, dass Politiker begreifen, dass Schule als Experimentierfeld gänzlich ungeeignet ist.