Herkulesaufgaben für den neuen Papst
Die katholische Kirche steht vor existenziellen Fragen
Die katholische Kirche ist auch im Zeitalter von Internet und Globalisierung eine Instanz. Ihre Glaubensgrundsätze sind vielen unter den weltweit 1,2 Milliarden Katholiken Richtschnur und Leitplanke im alltäglichen Leben. Welche Anziehungskraft der Vatikan immer noch ausübt, hat am Mittwoch die Wahl des neuen Papstes gezeigt.
Demütig und würdig trat der Argentinier Jorge Bergoglio als Papst Franziskus I. die Nachfolge des deutschen Papstes Benedikt XVI. an. Und nicht nur die Katholiken auf allen Kontinenten werden ihm wünschen, dass er eine glückliche Hand hat in den Entscheidungen, die er in Zukunft treffen muss.
Denn heute schon beginnt der Alltag für das neue Oberhaupt der Katholiken. Franziskus I. hat von seinem Vorgänger ein schweres Amt übernommen. Denn Benedikt XVI. war acht Jahre lang das, was alle von ihm erwartet hatten: ein Bewahrer, ein Hüter der Kirche und ein zuweilen ungeschickter Diplomat, der im Missbrauchsskandal und im Umgang mit den Holocaustleugnern in der Pius-Bruderschaft Fehler gemacht hat.
Die Fragen von gestern sind die Fragen von morgen. Skandale und Skandälchen, vor allem aber der sinkende Einfluss der katholischen Kirche in der westlichen Welt und im Schwellenland Brasilien bilden die Herkulesaufgaben für Papst Franziskus. Die Kirche ist hin- und hergerissen. Auf der einen Seite stehen die behutsamen Erneuerer, die Geschiedenen und Frauen in der Glaubensgemeinschaft neue, bessere Rollen zuweisen wollen. Auf der anderen Seite wollen die Bewahrer vermeiden, dass die katholische Kirche im Zuge einer Modernisierung beliebig wird.
Die Wahl der Kardinäle deutet allerdings nicht darauf hin, dass die Kirche sich dynamisch und zielstrebig ihre Position in einer sich rasant verändernden Welt suchen wird. Mit seinen fast 77 Jahren scheint Papst Franziskus eher ein Kirchenfürst für den Übergang zu sein.
Vielleicht ist der „Kardinal der Armen“ aus Buenos Aires aber auch selbst eine der Antworten auf die drängenden Fragen zur Zukunft der katholischen Kirche. In einer Zeit, die geprägt ist von Egoismus und Existenzängsten, sind Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Zuversicht Tugenden, die Gesellschaften zusammenhalten können.