Meinung Löhrmanns Schulkonzept: Kein Weg ins Chaos

Es ist den Reflexen des Landtagswahlkampfs geschuldet, dass auf jede parteipolitische Regung eine vernichtende Reaktion der Gegenseite folgt. „Chaos vorprogrammiert“, ließ die CDU verlauten, kaum hatten die Grünen ihr Schulkonzept konkretisiert.

Foto: Sergej Lepke

Der CDU-Vorwurf des Wirrwarrs mag ja noch für Sylvia Löhrmanns unvorbereitet wirkende erste Reaktion auf den G8/G9-Vorstoß der FDP Berechtigung haben. In Hinsicht auf das jetzt vorgestellte Modell der Grünen verpufft er aber zu öder Wahlkampfrhetorik.

Nein, es droht kein Chaos, wenn die Schulen stärker als bisher ihre Unterrichtsangebote individuell gestalten. Chaos kann nur rufen, wer geflissentlich ignoriert, was es schon heute an schülerorientierten, individuellen Angeboten im Schulbetrieb gibt — von der Grundschule bis zu den Gymnasien. Das hat an vielen Stellen nichts mehr mit dem Schulbild zu tun, das die meisten von uns noch immer in sich tragen, hat seine Funktionsfähigkeit aber längst unter Beweis gestellt.

Individualisierung ist also keine Überforderung der Lehrkräfte, sondern seit Jahren gängige Praxis. Dabei geht es nicht etwa darum, Schülern alle Hürden aus dem Weg zu räumen, sondern möglichst vielen ihre Überwindung zu ermöglichen.

Den gegenseitigen Unkenrufen zum Trotz: Allen für Regierungsbeteiligungen infrage kommenden Parteien ist gemein, dass sie von dem alleinigen G8-Weg abgerückt sind. Eine Reform wird es nach der Wahl unzweifelhaft geben. Die Kernfrage ist: Soll die Wahl zwischen G8 und G9 über einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen an jeder Schule möglich sein oder sollen sich die Schulen vor Ort für einen der beiden Wege entscheiden?

Gegen Letzteres spricht nicht nur, dass damit womöglich ein unguter Konkurrenzkampf zwischen den Schulen eröffnet würde, sondern auch, dass Schüler in ländlichen Regionen oft keine Wahl zwischen G8 und G9 mehr hätten. Im Chaos aber würde keine Lösung münden.