Meinung Obama-Besuch in Deutschland: Seelsorge zum Abschied
Barack Obama und Deutschland, das ist ein ganz besonderes Kapitel in der jüngeren politischen Geschichte. Ein halbes Dutzend Mal ist der US-Präsident hier offiziell zu Besuch gewesen.
So oft wie keiner seiner Amtskollegen vor ihm. Die Bilder aus dem Sommer 2008, als sich in Berlin 200.000 begeisterte Menschen versammelten, um den damaligen Präsidentschaftskandidaten Obama reden zu hören, haben immer noch etwas Magisches.
Vor der Siegessäule wurde der Amerikaner wie ein Popstar gefeiert, wie ein Messias, durch den sich die Welt zum Besseren wendet. Obama flogen die Herzen der Deutschen auch deshalb zu, weil sie den damaligen Amtsinhaber George Bush satt hatten, genauso wie dessen Krieg im Irak.
Natürlich waren die Erwartungen an Obama weit überzogen. Aber nach einer Phase der Annäherung wusste Merkel, woran sie mit ihm war. Was jetzt kommt, ist ungewiss. So hat Obamas politischer Abschied an der Spree auch wenig von jener Lockerheit, die man mit dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit gern in Verbindung bringt.
Kein Bad in der Menge, kein Überraschungsbesuch in einer Berliner Szene-Kneipe, wie es Gerhard Schröder und Bill Clinton im Jahr 2000 praktiziert hatten. Stattdessen, streng abgeschirmt, stundenlange Gespräche mit der Kanzlerin, wobei man getrost annehmen darf, dass es weniger um alte Erinnerungen als vielmehr um den neuen Mann im Weißen Haus ging. Unter Obama ist Deutschland zum wichtigsten europäischen Partner für die USA geworden.
Der US-Präsident hat Merkels Flüchtlingspolitik ausdrücklich gewürdigt. Ohne die Achse Berlin-Washington wäre es auch kaum zum Pariser Klimaschutzvertrag gekommen. Geht das jetzt alles kaputt? Und was ist mit der Nato? Im Wahlkampf hatte Trump das westliche Verteidigungsbündnis als "überholt" bezeichnet.
Bei seiner Abschiedstour ist Obama auch als eine Art Seelsorger aufgetreten. Fürchtetet euch nicht, es wird schon nicht so schlimm kommen. Tatsachlich war auch das Verhältnis zwischen der Kanzlerin und dem scheidenden US-Präsidenten nicht frei von Konflikten. Von der anfänglichen "Obamania" hat Merkel rein gar nichts gehalten.
Ihre Sparpolitik zur Rettung des Euro sah der Amerikaner mit großer Skepsis. Umgekehrt musste sich Merkel düpiert fühlen von den massiven Schnüffeleien des US-Geheimdienstes, der nicht einmal vor ihrem Handy halt machte. Obama wiederum hatte Berlin mehrfach zu höheren Verteidigungsausgaben ermahnt. Gleichwohl haben sich die beiden Staatenlenker zusammengerauft. Ihre Freundschaft ist trotz mancher Spannung über Jahre gewachsen.
Vielleicht ist das ja eine Ermutigung für die Zukunft. Auch wenn es schwerfallen mag, sich ein gedeihliches politisches Verhältnis zwischen Merkel und Trump vorzustellen - notorische Schwarzmalerei hilft nicht weiter. Berlin und Washington müssen neu lernen, verlässlich miteinander umzugehen.