Meinung Mehr Ritual als Wahl
Wenn im Februar neben Politikern auch Roland Kaiser, Carolin Kebekus oder Peter Maffay als Gesandte aus den Ländern in der Bundesversammlung den Bundespräsidenten wählen, dann ist dieses Prozedere zwar nach dem entsprechenden Grundgesetz-Artikel eine Wahl.
In Wahrheit aber ist der Bundespräsident längst von einigen wenigen Strippenziehern bestimmt. Und was der Bundesversammlung verbleibt, ist kaum mehr als ein Ritual. Wenn in der Vergangenheit mal einer der entsandten Promis anders abstimmte als geplant — wie 2004 Gloria von Thurn und Taxis, die eigentlich Horst Köhler wählen sollte, dann aber für Gesine Schwan stimmte — galt das als Panne. Das sagt alles über die Bezeichnung des Verfahrens als „Wahl“.
Nun sorgt es gewiss für „ein bisschen frische Luft“ (Zitat Sahra Wagenknecht) wenn ihre Partei, die Linke, mit dem Armutsforscher Christoph Butterwegge einen Gegenkandidaten zum längst feststehenden Wahlsieger Frank Walter Steinmeier ins Rennen schickt. Doch angesichts Butterwegges Chancenlosigkeit macht das die Sache kaum besser.
Nun wäre eine Direktwahl des Bundespräsidenten gewiss ein Weg, um Politikverdruss im Volk angesichts einer solchen Wahl-Farce zu begegnen. Aber das würde dann wieder zu anderen Problemen führen. Denn die bisherige Machtbalance wäre gestört. Anders als der nur mittelbar gewählte Bundeskanzler könnte sich der Bundespräsident dann direkt auf Volkes Willen berufen. Er könnte sagen, er habe eine höhere demokratische Legitimität als der von den Abgeordneten gewählte Bundeskanzler. Machtkonflikte wären die Folge.
Doch auch ohne Direktwahl durchs Volk wäre ein echter demokratischer Wettbewerb auf offener Bühne statt unseliger Kungelei im Hinterzimmer denkbar. Wenn etwa die Bundestagsabgeordneten frei von Fraktionszwang und ohne parteipolitische Vor-Festlegungen zwischen mehreren (aussichtsreichen) Kandidaten entscheiden könnten.